Eine kurzweilige kurze Geschichte die Dich zum Schmunzeln bringen soll. Vielleicht auch zum Lachen und wenn es hoch kommt...?  Schreib mir was Dir dabei passiert ist!

"Die Personen und die Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden.
Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.“

17.07.2018

Heute war das Wasser kalt…

 

1.   Der Kleiderschrank-Gau

 

   Als ich heute Morgen aufstand und mir im Bad das Gesicht waschen wollte, war das Wasser kalt. Super, der Tag fing ja gut an. Schnaubend drehte ich den Kran in alle Richtungen und den Hahn auf und zu, doch es wollte keine warmes, geschweige denn heißes Wasser aus der Leitung kommen. Na ja gut dachte ich leicht gereizt, wirst du wenigstens wach. Ich schmiss mir das kalte Wasser ins Gesicht und zog bibbernd die Schultern hoch. Ich bin ein Warmduscher, jawohl …und ich stehe dazu. Außerdem bin ich auch ein “Warmwassergesichtwascher“ und dabei bleibe ich auch, auch wenn mir tausend Leute einreden wollen:
  »Aber mit kaltem Wasser bist du doch dann gleich wach und alle Poren deiner Haut sind sooooo gut durchblutet, das ist viel besser für deinen gesamten Biorhythmus.«
  Ich fragte mich woher die gesamte Menschheit wissen will, was für mein Gesicht und meinen Biorhythmus das Beste ist?
  Gähnend schlurfte ich danach ins Schlafzimmer zurück, zog mich an und stand dabei geschlagene 10 Minuten vor dem Kleiderschrank. Mürrisch schob ich einen Bügel nach dem anderen zur Seite und nichts was dort in meinen Schrank hing, schien mir noch zu passen. Alles sah alt und noch älter aus.
  Wenn mich jetzt Adam sehen würde, dann könnte ich mir wieder mal was anhören. Dann käme der genervte Satz:
  »Typisch Frau, der Kleiderschrank quillt über, aber die Dame hat nichts zum Anziehen im Schrank.«
  Ich grinse dann immer ganz breit wenn er sowas sagt, denn ich weiß, dass er es eigentlich ironisch meint und mich nur ein bisschen ärgern will.

 

  Man muss sich das dann aber auch mal vorstellen… er liegt im Bett, schaut mir zu wie ich in den Kleiderschrank eintauche und hektisch darin herumwühle. Lang ausgestreckt mit hinter dem Kopf verschränkten Armen liegt er da und amüsiert sich über mich. Wenn ich mich dann umdrehe und sehe das Funkeln in seinen Augen, dann möchte ich am liebsten sofort zu ihm ins Bett springen, mich auf ihn stürzen und ihn küssen. Doch stattdessen werfe ich heute nur einen langen gequälten Blick in die Richtung seiner Bettseite auf der er schläft, wenn er endlich zu Hause ist und widme mich dann aber wieder resigniert einer imaginär anscheinend nicht vorhandenen Oberteilauswahl meiner Garderobe.

 

  Adam ist heute mal wieder nicht da, eigentlich ist er in letzter Zeit meistens nie da. Es betrübt mich schon darüber nachzudenken, weil mir dann bewusst wird, wie dumm ich doch eigentlich bin. Immer wieder frage ich mich, wieso ich nur an ihm festhalte, wieso ich diese Liebe meinerseits zulasse? Doch ich weiß es tief in meinem Inneren ganz genau.
  Teils verachte ich mich dafür und beschimpfe mich als armselig und anderseits kann ich ganz genau erklären warum ich nicht von ihm lassen kann. Wenn ich meine Gedanken dann in Worte fasse, erscheint es mir als die normalste Sache von der Welt ihn wieder in meine Arme schließen zu wollen… und das tue ich dann auch, sobald er zur Tür herein kommt.

 

  Vielleicht erzähle ich später mehr über Adam, denn eigentlich ist der Tatbestand, dass das Wasser heute Morgen kalt war, die Grundlage für meine heutige Schilderung der Ereignisse.

 

  Also wo war ich, ach ja. Ich erspare uns jetzt mal die weitere Ausführung meiner allmorgendlichen Panikattacke, denn schließlich und endlich ist es jeden Tag so, dass ich doch noch was halbwegs Passendes zum Anziehen finde. Was mich nur immer wieder in Erstaunen versetzt ist, wenn meine Kollegen mir dann morgens sagen:
   »Suse,- schick siehst du aus. Mensch wo hast du denn diese Bluse wieder her?«
Dass sie meinen genervten Blick nicht sehen, werde ich wohl nie verstehen. Ich antworte dann stets mit ernstem Gesicht und einer abwehrenden Handbewegung:
  »Ach hör auf, das ist doch ein ganz altes Ding, das habe ich schon tausend Mal getragen.«
  Da meine Aussage der Wahrheit entspricht, ist entweder die Kollegin neu oder, deren Schmeichelei ist einfach nur dummes Gerede. Wie dem auch sei, alt bleit alt und Schnaps ist Schnaps.

 

2.   Der Namens Worst-Case

 

  Ja Suse ist meine Name, eigentlich Susanne, aber mein Bruder hat mir mal auf einer Teenagerfreizeit diesen Spitznamen verpasst, indem er laut in die Runde brüllte, da war er zwölf und ich vierzehn:
    »Ach, Susanne heißt ja jede Ische, ich nenn dich jetzt Suse!«
Ische – nach der heute gängigen Internetdefinition ein Schlachtwort für intime Freundin oder leichtlebige, junge Frau eines jungen Mannes. Natürlich hatte mein Bruder nicht die geringste Ahnung was er da von sich gab, aber zu meiner Jugendzeit warfen die Jungen oft mit diesem Wort um sich und die Mädels ließen sich das gefallen, weil natürlich keiner eine Ahnung um die Bedeutung dieses Wortes hatte. Google gab‘s noch nicht und wahrscheinlich wären wir damals auch gar nicht auf die Idee gekommen nach der Bedeutung des Wortes zu fragen, es war halt einfach cool. Ja, ja , die guten gedankenlosen 80iger.
  Da auf dieser Freizeit eine Susann und zwei Susannes mitfuhren, nützte meine ganze Intervention nichts und seit dieser Zeit rufen mich alle nur Suse. Später versuchte ich diese Unart meiner Namensverunstaltung auszumerzen, da die Bedeutung meines Namens so wichtig erschien.
  Meine Mutter nannte mich immer liebevoll: „meine kleine Lilie“. Irgendwann frage ich sie warum sie manchmal Lilie zu mir sagte, wo ich doch Susanne hieß? Ich fand das als Kind sehr verwirrend. Entweder ich hieß Susanne oder Lilie, „was denn nun“, dachte ich damals wütend. Doch meine Mutter setzte sich neben mich und erklärte mir:
  »Spätzchen weißt du das ist so, jeder Name hat eine Bedeutung und bei deinem ist es nicht anders. Als Papa und ich die Namen für dich und deinen Bruder ausgesucht haben, haben wir es uns nicht leicht gemacht. Papa stöberte durch ganz viele Bücher mit Namen und ich habe Verwandte und Freunde gefragt, welche Namen ihnen gut gefielen. Zum Schluss blieben für dich zwei Namen übrig und zwar Sybille und Susanne. Wir fanden heraus, das Sybille der Geschichte nach eine griechische Prophetin war.«
 »Was ist eine Popetin?«, fragte ich meine Mutter gespannt, denn sie erzählte viele Dinge auf ganz besondere Weise. Da konnten Wahrheiten zu Geschichten werden und Geschichte zur Wahrheit. Ich muss so ungefähr fünf gewesen sein und ich weiß noch wie heute, wie das Gesicht meiner Mutter erstrahlte, als ich ihr bei meiner Frage die Hand auf die Wange legte.
  »Einen Prophetin ist eine Frau von der die Leute sagen, sie könne in die Zukunft blicken und sagen was zu bestimmten Zeiten passiert. Da du aber nicht Sybille heißt, sondern Susanne, will ich dir erzählen was dein Name bedeutet und warum er Papa und mir so wichtig ist. Susanne bedeutet unter anderem „Lilie“ und du weißt doch welche Blumen Mamas Lieblingsblumen sind nicht wahr?«
  »Ja die Blumen die bei uns hinten am Teich wachsen, die blauen«, bestätigte ich ihr.
  »Ja genau und die heißen Lilien. Verstehst du Susanne?«
  »Ja«, erwidert ich, »der Papa liebt dich, du liebst den Papa und die Lilien und mich und den Tobi und wir dich.«
  Meine Mutter beließ es dabei und küsste mich auf die Stirn. Mir reichte die Erklärung, ich setzte sie um, indem ich Tobi klarmachte, dass die Lilien am Teich jetzt alle Susanne hießen!
  Nun, auf jeden Fall schaffte es mein verrückter Bruder später, immer Kontakt zu irgendjemand aus meinen Kreisen zu bekommen in denen ich verkehrte. Natürlich nannte er mich dabei immer bei dem Kosenamen, den er mir in unserer Kindheit verpasst hatte. So blieb Suse mir bis heute erhalten. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und finde ihn eigentlich sogar ganz nett.

 

3.   Die Tee Verirrung 

 

  So und weiter geht’s mit den Ereignissen an diesem Tag. Ich komme morgens oft als Erste ins Büro und eine meiner morgendlichen Handlungen ist, Wasser für den Wasserkocher zu holen und für die Kollegen schon mal das Teewasser vorzubereiten. Ich selbst trinke gar nicht so gerne Tee, jedoch meine Kolleginnen lieben Tee und probieren wöchentlich die verrücktesten Teesorten aus. Mari hat letzte Woche aus dem Teekontor die Sorte Tomate Minze mitgebracht. Das gesamte Büro roch irgendwie nach Suppe und an den Gesichtern meiner teetrinkenden Kolleginnen, konnte ich erkennen, dass sich auch ihre Begeisterung bei dieser Sorte in Grenzen hielt.
  Zurück zu unserem Wasserkocherschätzchen. Das Gerät ist nicht das Beste und hat jetzt auch schon so ein paar Jährchen auf dem Buckel und damit das nicht ewig dauert bis wir heißes Wasser für den Tee haben, befülle ich den Behälter natürlich schon mit heißem Wasser aus dem Kran.
  Klar soweit warum ich dies berichte? Natürlich – alle die Wasserleitungen dieser Welt hatten sich nämlich anscheinend an diesem Tag gegen mich verschworen, denn das Wasser war und blieb auch hier im Büro …nach einigen Sekunden des Laufenlassens – kalt!
  Die Situation trug nicht gerade dazu bei meine schlechte Stimmung zu verbessen, die ich seit der Kleiderschranktragödie heute Morgen mit mir herumschleppte.
  Missmutig stellte ich den Wasserkocher mit dem eiskalten Wasser an, als auch schon die Tür auf ging und Mari und Doro kichernd ins Büro kamen.

 

4.   Die Knie Katastrophe

 

  »Was ist denn mit euch beiden los«, fragte ich grinsend, denn das Giggeln der beiden wirkte auf mich trotz meiner miesen Laune ansteckend.
  »Ach«, platze Doro heraus, »es ist eigentlich überhaupt nicht lustig, sondern eher tragisch.« Schon wieder fingen die Beiden an zu lachen und konnten sich kaum halten. „Das fängt ja gut an heute Morgen“. Wenn das so weiter geht wird der Tag für mich nicht leicht, denn dann habe ich zwei durchgeknallte Gänse bei mir im Büro sitzen und die echten Kolleginnen haben Urlaub.
  »Nein,« beschwichtigte Mari mich und schwang ihre Hand abwehrend über ihrem Kopf hin und her. Sie musste wohl in meinem Gesicht gesehen haben, dass mein Nervenkostüm heute Morgen eher dünn gestrickt war.
  »Doro hat gerade auf dem Parkplatz fast Kobolz geschossen. Sie ist mit dem Fuß am Bordstein hängengeblieben und hat das Gleichgewicht verloren, aber bevor sie hinfiel, hat sie noch ne Ehrenrunde gedreht und hat sich dann erst fallen lassen. Das sah aus als hätte sie Eislaufen auf Asphalt geübt und vergessen das Schlittschuhe auf Straßenbelag nicht gleiten.«
  Wieder prusteten beide los und obwohl ich mir innerlich gewissermaßen vorgenommen hatte meine miese Stimmung nicht so leicht aufzugeben, konnte ich mir ein Grinsen dann nicht verkneifen, als ich mir dieses Szenario bildlich vorstellte. Doch dann sah ich das Doro verletzt war, ihr Knie blutete und das Blut lief ihr in dicken Strömen das Schienbein herunter. Vorsichtig wies ich sie darauf hin und dann ging‘s aber erst richtig los. Die Wirkung der guten Endorphine über die komische Situation, die sie bisher vor Schmerz geschützt hatten gingen in „Null Komma Nix“ verloren. Doro und Mari wurden gleichzeitig kreidebleich. Doro weil ihr bewusst wurde das sie doch mehr verletzt war als sie es bisher bemerkt hatte und nun der Schmerz die Oberhand gewann, und Mari weil sie absolut kein Blut sehen konnte.
  So schnell kann eine Stimmung kippen. Das Gelächter wurde zu Gejammer und die zwei fröhlichen Frauen mutierten zu greinenden Klageweibern.
  Aus dem tiefsten Innersten meines Seins stieß wie eine gepiesackte Klapperschlange mein Mutterinstinkt hervor und half mir die Lage fachkundig in den Griff zu bekommen.
  »Doro«, jetzt mach nicht so einen Aufstand, zeig mal her, das kann doch nicht so schlimm sein und Mari, hole mir mal aus der Kaffeeküche ein feuchtes Tuch. Keine Sorge das kriegen wir wieder hin.«
  Doros Knie war zwar aufgeschlagen, aber sie würde definitiv nicht daran sterben. Mari tröstete Doro überschwänglich und ich versorgte Doros Knie. Zum Glück war der Verbandskasten in unserem Büro erst letzte Woche von mir gewartet worden und so fand ich dort alles was ich brauchte um Doro ordnungsgemäß  zu versorgen. Sie beruhigte sich dann ziemlich schnell, humpelte aber seitdem sehr auffällig durch alle Räume und erzählte natürlich jedem von ihrem äußerst schlimmen Unfall, den sie heute Morgen auf dem Parkplatz gehabt hatte.

 

5.   Der Sexistische Angriff

 

  Nachdem die Wogen geglättet waren setzte ich mich mit einem unmerklich Kopfschütteln an meinen Schreibtisch und versuchte mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, jedoch irgendwie wollte es mir nicht gelingen einen klaren Gedanken zu fassen. Gerade als ich mich daran gewöhnt hatte, dass die Lautstärke auf dem Flur für meine Ohren mal wieder einen Bombenangriff auf meine Nerven bedeutete und ich mich den täglichen Aufgaben widmen wollte, strömte Rita mit ihrer massigen Gestalt in unser Büro.
  Rita Mayer, mit "ay" nicht mit „ai“ wie sie jedes Mal lauthals betonte, wenn sie sich irgendwo namentlich vorstellte oder vorgestellt wurde, stürzte also in unser Büro und berichtete völlig aufgelöst:
  »Ihr glaubt nicht was mir gerade passiert ist«, donnert sie mit ihrer männlichen, dunkel sonor klingenden Stimme in den Raum hinein. »Der Heinz-Walter aus dem zweiten Stock, ihr wisst doch wen ich meine?« Ihre Rhetorik war erdrückend und dementsprechend ließ sie uns keine Zeit um zu antworten und schnatterte ohne Luft zu holen weiter.
  »Treff ich den doch gerade auf dem Flur und da sagt der zu mir: Na du geile dralle Hummel wie wäre es denn heute mit uns beiden? Könnt ihr euch das vorstellen? Mir blieb echt die Spucke weg. Ich war so geschockt, dass ich nicht wusste was ich erwidern sollte.«
  Na und das will bei Rita schon was heißen. Innerlich lachte ich mich schier kaputt, denn Rita ist so eine, die knallt dir so anzügliche Sachen auch gerne selbst mal vor den Kopf. Zu mir hat sie mal ganz ohne mit der Wimper zu zucken gesagt:
  »Na Suse, du hast ja man auch ziemlich kleine Brüste, da kann man ja noch nicht mal die Bobbele sehen.«
  Sie hatte mich auf dem völlig falschen Fuß erwischt und so konnte ich ihr darauf tatsächlich nichts erwidern, obwohl ich auch nicht auf den Mund gefallen bin. Wie vom Donner gerührt stand ich nur da und lief rot an. Manchmal kann ich richtig schlagfertig sein, aber bei dem Satz blieb mir die Spucke weg. Mari stand dabei neben mir und auch ihr konnte man nur die Empörung ansehen, sie brachte genau wie ich kein Wort hervor. Die Tatsache, dass Rita mit ihrem Ausspruch recht hatte, verletzte mich im Nachhinein nur noch mehr. Ich hab wirklich einen kleinen Busen, doch das dieser mal Gegenstand eines solchen Ausspruches werden würde und das auch noch aus dem Mund einer Frau, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
  Jetzt schaffte ich es gerade noch meine Schadenfreude zu verbergen und dachte jedoch etwas gehässig bei mir, „So jetzt hat es dieser Trine aber mal so richtig einer mit gleicher Münze heimgezahlt, recht geschieht ihr das, dieser ollen Primel“.
  Ich fand meine Gedankengänge waren angesichts der Tatsache das Rita sich so abfällig über meinen Busen geäußert hat noch sehr moderat.
  Wahrscheinlich ist Walter super schnell vor Rita geflüchtet und hat sich dabei hinter ihrem Rücken einfach schimmelig gelacht und auch Doro und Mari konnten sich vor Lachen kaum halten.
  Nur Sina aus der Postabteilung die gerade bei uns die gestrigen Tagesberichte ablieferte, ließ ihre Empörung geräuschvoll in das Gejammere von Rita einfließen. Na da hatten sich die beiden Richtigen gefunden.
  »Nein wie schrecklich Rita.«, entrüstete sich Sina. »Dieser Lustmolch. Wie kann der so etwas nur zu dir sagen?«
  Zu unser aller Glück verließ Rita mit Sina untergehakt wie echte Busenfreundinnen recht schnell wieder das Büro, da wir auf Ritas Erzählung nicht so reagierten wie sie es sich erhofft hatte. Rita fand aber in Sina eine teilnahmsvolle Zuhörerin und so hatte sich unsere uns zugedachte Rolle einer „mitleidsvollen Kollegin“ schnell erledigt. Wer weiß vielleicht haben sich die Zwei noch stundenlang weiter ihr Leid geklagt und über die bösen, bösen Männer hergezogen.

 

6.   Ein Mann ein richtiger Mann

 

  Nun ja wenn die Aussprüche der Kerle grenzwertig werden und andere verletzen, dann ist das auch echt nicht mehr in Ordnung, aber ich finde ja so einen leicht unartigen Zug um die Mundwinkel eines Mannes sehr attraktiv. Ein schelmischer Blick in manchen Situationen kann auch sehr anziehend wirken. Mein Adam hat diesen Ausdruck in den Augen auch erstklassig drauf und er versteht es in den richtigen Situationen eine gute Dosis Ironie an den Tag zu legen. Dann sollten Sie mal sein Gesicht sehen, oh Mann oh Mann.
  Jedoch ist er dabei nie so verletzend, dass ich aus der Haut fahre und einen Streit vom Zaun breche. Meistens kann ich ihm ganz liebevoll begegnen, Küsse ihn einfach nur kurz und dann weiß er, dass ich mich an diesem Tag nicht auf seine kleine Sticheleien einlassen will. Doch manchmal… reagiere ich auf seine verbalen Angriffe extra heftig, nämlich so in der „Art der Frauen“, die man uns so gerne unterstellt. Lustig wird’s dann, wenn wir daraus ein Spielchen machen. Das endet dann fast immer damit, dass wir zusammen im Bett landen. Ich finde, einen aufgestauten Druck so abzubauen ist doch eine der besten Sachen auf der Welt.

 

7.   Die Boiler Havarie

 

  Nachdem Rita und Sina das Büro verlassen hatten, konnte ich mich endlich meinen heutigen Aufgaben zuwenden. Jedoch die erste Email lies mich schon stutzen… Dazu sollte ich vielleicht erst einmal erzählen wo ich arbeite und was meine Aufgaben sind. Ich bin Angestellte in einem Zweig des öffentlichen Dienstes und kümmere mich um Bürgeranliegen, Einwohneranfragen die Kreisspezifisch sind und betreue die Internetseite der Stadt im Bereich Lob und Kritik. Aber es werden auch oft Beschwerden jeglicher Art an mich herangetragen. Obwohl das Beschwerdemanagement eigentlich nicht in meinen Aufgabenbereich fällt, mache ich das manchmal ganz gerne. Denn da kommen oft lustige Sachen rein, bei denen ich mich vor Lachen nicht halten kann.

 

Letztens zu Beispiel schrieb eine Frau im O-Ton:

 

  »Guten Tag meine Name ist Schulze-Röttelsbach, mein Mann ist tot und das Wasser ist kalt.«
  Alleine wegen dieses Satzes reagierte ich schon immer gereizt auf die Tatsache, wenn irgendwo in meinem Dunstkreis das Wasser kalt war. Wie an jenem Morgen bei mir zu Hause! Zum Glück konnte Adam später mal nachschauen woran es lag, denn er hat prima handwerkliche Fähigkeiten und keine zwei linken Hände. Das habe ich seit wir uns kennen, wirklich sehr zu schätzen gelernt, denn wenn man für jedes kleine Zippchen was kaputt geht, ausgetauscht oder reparaturbedürftig ist, gleich eine Firma beauftragen muss, geht das ja echt ins Geld.
  Na ja Frau Schulze-Röttelsbach, klagte also per Mail das Leid mit ihrem defekten Boiler im Bad und schilderte dann in den schillerndsten Farbe ihr letztes Badeerlebnis. Ihr sei Seife in das rechte Auge gekommen und mit kaltem Wasser hätte sie die Seife nicht vollständig entfernen können, nun sei sie blind. Sie wolle Schmerzensgeld beantragen und Zuschüsse für die Brille, die sie seit dem immer tragen müsse.
  Ja und sowas ist natürlich allerliebst. Nach dem Motto ich versuch mal ein bisschen den Staat auszuquetschen indem ich einen auf Totalgeschädigte mache.
  Ich schrieb Frau Schulze-Röttelsbach selbstverständlich zurück und bedauerte in meinem Schreiben ausführlich ihr „Kaltwasser-Malheur“, versicherte ihr meine innigste Anteilnahmen und schrieb dann so:

 

Sehr geehrte Frau Schulze-Röttelsbach,

 

Zu unserem Bedauern müssen wir ihr Gesuch leider abschlägig bescheiden, da wir für grobfahrlässige Benutzung der Seife unter erschwerten Umständen des Kaltwasser-Tatbestandes keinerlei Haftung übernehmen können und auch der Sonderfallreglung Warmwasserentzug auf Basis der offensichtlich vorliegenden Boiler Schwierigkeiten können wir in diesem irrigen Fall leider keine Rechnung tragen.
Nach § XXL25 der Strafgesetzverordnung für Bürger in folgewidrigen Umständen, ist die Anforderung von Schadensersatz auf Grundlage der angefallenen spezifischen Lage in höchstem Maße irrelevant und sogar strafbar. Für betrügerische Eseleien jeglicher Art haftet der Betroffene in vorliegendem § Abschnitt 4 immer selbst.  
Mit der Hoffnung auf ihre baldige vollkommene Genesung verbleibe ich…

 

  Allein beim schreiben dieses Textes liefen mir vor unterdrücktem Lachen schon die Tränen aus den Augen. Also wenn es um „Kaltwassergeschichten“ geht, bin ich wirklich in „Hab-Acht-Stellung“.

  Denn leider gab es dann für mich einen nicht geplanten Rückschlag den ich hinnehmen musste und den ich mir in diesem Fall, auf Grund meiner offensichtlich brüskierenden Mail an Frau Schulze-Röttelsbach, natürlich selbst zuzuschreiben hatte. Mein Chef zitierte mich in sein Büro, nachdem Frau Schulze-Röttelsbach in ihrer nächsten Mail eine offizielle Beschwerde gegen mich vorgebracht hatte. Ich bekam eine Abmahnung und man entzog mir die Erlaubnis mich in irgendeinerweise um das Beschwerdemanagement zu kümmern. Alle so gearteten Mail‘s die ausversehen in meinem Postfach auftauchen, muss ich nun umgehend an die Kollegen in der Beschwerdeabteilung weiterleiten. Mein Chef hatte diese Sanktionen für mich sehr ernst bei mir vorgenommen, aber sein Zwinkern in den Augen gab mir zu verstehen, dass das alles ein großer Haufen Mist sei. In seinen Formulierungen ließ er aber auch durchblicken, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Mit großer Erleichterung erkannte ich, dass er die Sache eher zum Lachen, wenn nicht gar lächerlich fand und dass er eigentlich auf meiner Seite war.

 

  Doch mein Chef hielt seinen Ball flach denn das Problem war, dass Frau Schulze-Röttelsbach hier im Amt eine gehörige Portion Vitamin B besaß und so akzeptierte er die Entscheidung von oben ohne sich für mich einsetzen zu können. Es stellte sich nämlich heraus, dass Frau Schulze- Röttelsbach die Schwiegermutter von unserem Stadtrat Wesselsbart war und sie sich natürlich „stand de pede“ großspurig bei ihm über mich beschwert hatte.
  Tja, dumm gelaufen kann man dazu nur sagen. Seitdem ist meine Arbeit um einiges langweiliger geworden und auf kaltes Wasser reagiere ich irgendwie allergisch. 

 

  Man könnte ja jetzt meinen das an nur einem Tag mit Wasser nichts mehr Erwähnenswertes passieren könnte, aber wie oft man mit Wasser, bewusst oder unbewusst in Berührung kommt und wie oft man es doch braucht das wurde mir an diesem Tag erst richtig klar. Was hatten wir bis jetzt? Gesicht waschen, Wasserkocher aufsetzen, blutendes Knie säubern, nicht erwähnte Toilettengänge – natürlich mit Hände waschen, Pflanzen im Büro gießen und so weiter und sofort.

 

8.   Die Schwimmbad Apokalypse

 

  Ja und dann war da noch die Sache mit dem Schwimmbad. Heute war Warmbadetag! Endlich mal schwimmen gehen und nicht frieren, endlich mal kein maßloses Zittern bevor man sich an das Wasser im Becken gewöhnt hat. Donnerstags gehe ich immer mit meiner Freundin schwimmen. Nach der Arbeit treffen wir uns und fahren gemeinsam in das neue S-FOS (Sport-/ und Freizeitbad in der Oberstadt), das im letzten Juni eröffnet wurde. Ja und ich bemerke, Abkürzungen bürgern sich doch sehr schnell ein. Lange Zeit gab es nur das alte Hallenbad in der Unterstadt und man musste sich aufs „Schwimmen wollen“ konzentrieren, damit man sich nicht ekelte wenn man die Halle betrat. Doch dann wurde endlich das neue Bad eröffnet und Schwimmen wurde wieder Mode.
   Wir machen das jetzt schon gute zwei Jahre zusammen und ich muss sagen, es klappt ganz prima mit mir.
  Normalerweise will ich ja nach der Arbeit nur noch Heim und die Füße hochlegen und Sport machen will ich schon gar nicht. Dem getreu Motto „Sport ist Mord“ stimme ich daher voll und ganz zu. Doch im Mai vorletzten Jahres meinte meine Freundin Greta, sie wäre so fett geworden und sie hätte beschlossen durch exzessives Schwimmen ihren Fettpölsterchen zu Leibe zu rücken. Ob ich nicht mitkommen wolle, mir könne es nämlich auch überhaupt nichts schaden, wenn ich endlich mal mein „Couch-Potato-Dasein“ aufgeben würde und meinen ziemlich breiten Hintern in Bewegung setzte.
  Greta ist auch so eine, die nimmt kein Blatt vor den Mund, aber sie meinte dann erklärend:
  »Komm Sus«, sie nennt mich Sus, das darf sonst keiner, weil das schon wieder eine weitergehende Verstümmelung meines Namens ist, aber aus ihrem Mund und mit ihrem nordischen Dialekt klingt das echt bezaubernd und so lasse ich sie, aber nur sie.
  »Du weißt wie ich das meine und ich habe doch recht. Wann hast du dich das letzte Mal so richtig ausgepowert und nicht nur Kalorien zu dir genommen, sondern verbrannt? Du erzählst mir doch selbst immer, dass du dir Sorgen machst, dass Martin dir irgendwann den Laufpass gibt, weil er deinen Hintern zu dick findet. Außerdem Schätzchen, spielt sich das Leben vor der Haustür ab und nicht in deinem Wohnzimmer. Hatte ich erwähnt, dass ich auch nicht alleine zum Schwimmen gehen will? Das macht keinen Spaß und wenn man am Beckenrand angekommen ist, kann man sich nicht mal mit Jemandem unterhalten, von dem man weiß, er ist nett. Oh… wenn ich dein Gesicht schon sehe Sus die Begeisterung steht dir ja ins Gesicht geschrieben. Pass auf, dass dir deine Mine nicht entgleist. Wahrscheinlich malst du dir gerade wieder hundert gruselige Situationen aus, was dabei alles schief gehen könnte und was für schreckliche Dinge dir passieren könnten. Ich sehe schon, dass du dir irgendeine Ausrede überlegst, warum du nicht mit mir schwimmen gehen wirst.«
  Endlich konnte ich Gretas Redeschwall unterbrechen, sie hat wirklich ein Talent ohne Punkt und Komma zu reden.Und erst nachdem ich ihr meinen Zeigefinger auf ihre Lippen presste, konnte ich ihr Schweigen erzwingen.  
  »Greta, jetzt halt mal die Luft an«, schilt ich sie gereizt, »ich komm ja mit.«
  Konsterniert sah sie mich an, ich hatte sie wohl wirklich verblüfft, aber gleich darauf trat auch schon Genugtuung in ihr Gesicht, denn sie hatte ja erreicht was sie wollte, sie hatte wohl nur nicht erwartet, dass ich so schnell klein bei geben würde.
  Das war mal wieder eine typische Greta-Aktion. Hatte ich denn vielleicht eine andere Wahl, als Greta zu versichern dass ich mit ihr schwimmen gehen würde? Nein!
  Eine Woche später war es so weit, unser erster Schwimmbadbesuch stand an. Greta kannte mich gut, denn ich hatte wirklich x Bilder im Kopf von entsetzlichen Sachen die mir passieren würden, wenn ich auch nur einen Fuß in eine Badeanstalt setze. Vom Unterwäscheklau über die Blamage bei Ausrutschen auf den rutschig nassen Fliesen, bis hin zum Alptraum des „nackt aus dem Wassersteigens“, weil mir bösartige Menschen unter Wasser heimlich meinen Badeanzug vom Körper entwendet hatten. Ich riss mich zusammen und ging trotz dieser Phobien mit Greta zum Schwimmen. Und - welch ein Wunder, nichts von dem was ich befürchtet hatte trat ein. Im Gegenteil, es machte Spaß und tat mir gut und es kam sogar soweit, dass ich anfing mich auf unseren allwöchentlichen Badeanstalt Besuch zu freuen.
  Greta war mein Bollwerk und mein Schutz, mein fester Halt in diesem balkenlosen Milieu. Sie hatte genug Selbstbewusstsein für uns Beide und so überwand ich langsam und stetig, quasi mit jedem neuen Schwimmbadabenteuer, meine Unsicherheit. Ja aber es war auch wirklich manchmal abenteuerlich.

 

9.   Der Bodenammer-Zinnober

 

  Zum Beispiel das eine Mal, als wir Tassilo Stockreiter im Schwimmbad trafen. Er war es wirklich und er schwamm direkt auf mich zu. Ich dachte ich bekomme vor Aufregung einen Herzinfarkt. Tassi, wie wir ihn hier unten liebevoll nennen, schwamm direkt an mir vorbei. Und am Beckenrand angekommen schwang er sich mit einer graziösen Bewegung aus dem Wasser und setzte sich lasziv auf den Beckenrand. Tassi ist hier eine sportliche Lokalgröße und hat nun schon 4 Jahre hintereinander den den SmoLA, den „Strongest man on Lake Aset“ gewonnen. Der Aset See ist der größte der drei Seen hier unten bei uns im Süden wo ich wohne. Dann gibt’s noch den Tezih See und den kleinen Burino See, obwohl man dies Gewässer eigentlich nicht als See bezeichnen kann, das ist mehr ein Tümpel. Er wurde aber von unserem Stadtrat Wesselsbart zum Naturschutzgebiet erklärt, weil da die selten gewordene Bodenammer brüten sollte. Ganz ehrlich, dass bei uns dort irgendwas Seltenes brütete konnte ich nicht glauben. Ich war eher davon überzeugt, dass der alte Wesselsbart Schindluder mit der Naturschutzverordnung getrieben hatte. Seine Familie besitzt nämlich in der Nähe vom Burino See eine Glasbläserei und wohin fließt wohl das benötigte Kühlwasser wenn es nicht mehr verwendbar ist. Irgendwelche Partikel setzen sich immer im Wasser ab und damit so ein Glas auch rein und ohne Einschlüsse bleibt, muss das Wasser ja wohl von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden. Aber Wesselsbart ist wohl nur ein kleiner Natursünder, denn bei der Abnahme der alljährlichen Gewässerprobe konnten, erstaunenswerter Weise, keine nennenswerten Schadstoffbelastungen im See festgestellt werden.  

  Theoretisch konnte der Vogel hier also sofort mit der Küken Produktion loslegen, aber es wird sich erst noch zeigen was die Stunde geschlagen hat, wenn in den nächsten Jahren nicht mindestens ein kleiner Schwarm Bodenammern das Ufergebiet besiedelt.

 

10.   Gretas planhaftes Vorhaben 

 

  Wasser ist eben doch immer in aller Munde und in meinem auch. Um noch mal auf Tassi zu sprechen zu kommen. Der SmoLA findet jedes Jahr im Juni statt und die Teilnehmer dieser sportlichen Veranstaltung müssen drei Disziplinen absolvieren. Als erstes müssen sie den See im Schnelllauf zwei Mal umrunden. Die zweite Disziplin besteht aus der erneuten Umrundung des Sees im Rückwärtslaufen. Dabei haben manche Athleten sich schon die witzigsten Sachen einfallen lassen. Denn wer will schon blind laufen und alle paar Meter im Gebüsch landen. Das Verletzungsrisiko ist natürlich auch dementsprechend hoch und so basteln sich die Läufer mit Spiegeln ihre außergewöhnlichen Laufhilfen. Da gibt es Schweißbandspiegel,  lustige Kopfbedeckungen mit seitlich abstehenden Spigelkonstruktionen, oder Taschen-aufklappspiegel die mit Klettband am Körper befestigt werden. Alles ist erlaubt nur zusätzliche Hilfsmitte wie Rucksäcke oder andere Taschen die man mitführen könnte darf man nicht benutzen. Der Spiegel muss am Körper befestigt sein. Was hat es da schon für Verwicklungen, Zusammenstöße und Abstürze gegeben. Greta und ich gehen jedes Jahr zu diesem Event, weil man dabei so viel Spaß hat, dass einem noch Tage später die Wangenmuskulatur vom Lachen weh tut. Die dritte Disziplin ist die Seedurchquerung. Auch hier ist alles erlaubt, nur schwimmen darf man nicht. Man kann auch alle Hilfsmittel dazu nehmen von denen man glaubt mit ihnen den See zu, durch-/ bzw. überqueren zu können. Zum Beispiel Fahrräder mit seitlich angebauten Bojen und mit Paddeln an den Lenkerseiten, oder Plastikwannen in denen man sitzt und an den Armen Schwimmbretter befestigt hat. Manche Seeüberquerer gehen mit ihren selbstgebauten Konstruktionen innerhalb von Sekunden baden und müssen aufgeben, aber unser Tassi lässt sich jedes Jahr was Neues einfallen. Das ist nämlich auch noch so eine Bedingung. Niemand darf den See zwei Mal auf die gleiche Art und Weise überqueren. Im vorigen Jahr hatte Tassi eine seiner wahnwitzigen Erfindungen zur Überquerung eingesetzt. Er hatte sich unter jeden Fuß ein aufblasbares ovales Luftkissen geschnallt auf denen dann jeweils ein Gummistiefel befestigt war. Seine Beine waren durch unterschiedlich starke und breite Gummibänder verbunden und in der Hand hatte er ein Doppelpaddel. Er lief damit über den See und auf Grund seines überaus durchtrainierten Körpers und wahrscheinliche endloser Übungsstunden, schaffte er es ohne ins Wasser zu fallen in anderthalb Stunden den See zu überqueren und ging als glorreicher Sieger aus dem Wettkampf hervor.
  Greta und ich haben uns damals vor Begeisterung die Seele aus dem Hals geschrien und als er auf der Mitte des Sees war, sind wir ins Auto gesprungen und auf die andere Seite des Sees gefahren um Tassi mit den anderen Fans in Empfang zu nehmen. Ich weiß noch wie Greta sich einen Weg durch die Menge bahnte und Tassi umarmt und geküsst hat als er endlich an Land war und die Leute, zumeist femininen Geschlechts, hingerissen seinen Sieg feierten. Greta warf sich ihm um den Hals und verpasste dem armen Tassi einen Zungenkuss der sich gewaschen hatte. Ein entrüstetes Stöhnen war aus dem Munde der umstehenden weiblichen Fans zu hören und eine empörte Stille erfasste für einige Sekunden die Menschenmenge, dann löste Greta sich wieder aus Tassis Armen und gab ihn für den Rest der Fangemeinde frei. Außer Atem und mit strahlendem Gesicht kam sie wieder zu mir und als sie an mir vorbei zum Auto ging hauchte sie mir gurrend entgegen:
  »Der schmeckt nach Minze und Ananas.«
  Ich grinste breit. Greta hatte tatsächlich erreicht was sie sich vor einem Jahr vorgenommen hatte. Sie meinte nämlich beim letzten SmoLA zu mir:
  »Den schnapp ich mir und dann küss ich den… das wird der sein Lebtag nie vergessen. Und weißt du was ich noch machen werde Sus? Ich steck dem dann meine Telefonnummer in die Hose und wer weiß sGw… (so Gott will), ruft er mich an. Dann geh ich mit ihm aus und lass ihn nicht mehr von der Angel. Ich werde ihn mit all meinen weiblichen Reizen betören und dann gehört er ganz mir. Du wirst sehn Sus ich schaffe das. Dann heiraten wir und ich lass mir von ihm zwei Kinder machen!«
  Mir blieb die Luft weg bei ihren Ausführungen, denn ich wusste sie meint das alles ernst. Ich dachte sie wäre fertig, aber nach einer Pause, die höchsten 3 Sekunden gedauert hatte, die gerade für mich reichte um wieder zur Besinnung zu kommen, endete sie mit den Worten:
  »Ja, Sus guck nicht so, das schaff ich!«
  Dann stieg sie ins Auto und schlug vehement die Tür zu. Da ich ihr nicht ohne Umschweife folgte sondern nur verdattert dastand, öffnete Sie die Autotür wieder und schnaubte im Befehlston, den sie sich so angeeignet hatte, wenn sie sie selbst instruierte:
  »Kommst du jetzt Sus, oder willst du dort Wurzeln schlagen? Ich brauch jetzt Kaffee.«
  Eine Antwort habe ich mir gespart, da jedwede Intervention meinerseits sowieso zwecklos gewesen wäre. Ich stieg ins Auto und wir fuhren zu „Popeye‘s Kaffee und Bar“. Ich weiß noch, dass ich mir dann dort keinen Kaffee bestellt habe. Ich brauchte was Stärkeres und gönnte mir einen Whisky.

 

11.   Tassis vorbestimmtes Ende

 

  Als wir Tassi dann an besagtem Tag im Schwimmbad sahen, keimte Gretas Vorhaben was ihn betraf, erneut auf. Ich weiß noch, sie schwamm auf ihn zu und wollte ihn gerade ansprechen, da erhob er sich vom Beckenrand, sprang auf und ging in Richtung der Duschen. Weg war er. Greta blickte sich zu mir um und ich konnte die Enttäuschung in ihrem Gesicht sehen. Ich schwamm zu ihr jedoch als ich sie erreicht und sie trösten wollte, war die Enttäuschung schon längst aus ihren Zügen gewichen. Kein Mensch kann so schnell schwimmen, sodass er Gretas Gemütswandlungen Herr werden könnte. Sie sah mich an, ich brauchte keine Frage zu stellen, denn Greta zog trotzig einer Augenbraue hoch und meinte schnippisch:
  »Glaub ja nicht, dass ich mein Vorhaben aufgeben werde Sus. Ich bekomme meine Chance.«
  Schon schwamm sie mir davon und kraulte noch einige Bahnen durch das Becken. Ich meinerseits hatte genug für dieses Mal und rief ihr zu:
  »Greta, ich geh schon mal duschen, wir sehen uns gleich draußen.«

 

  Irgendwie war ich müde. Ich bewundere Greta und liebe sie als Freundin sehr, aber manchmal kann sie sehr anstrengend sein. Zum Abschluss dieser Geschichte sei gesagt, dass Greta  natürlich ihre Chance bekam. Sie schrieb Tassi ihre Telefonnummer mit rotem Lippenstift auf seine Windschutzscheibe und nachdem sie die Scheibe an dreistellen gesäubertz hatte, fügte sie noch Lippenstiftküsse hinzu und schrieb darunter: "Erinnerst du dich?" Tja, das hatte wohl gewirkt und er rief Greta noch am selben Tag an. Tassi und sie sind heute verheiratet sind und Greta bekommt tatsächlich im November ihr zweites Kind. Von Loni, ihrer ersten Tochter, bin ich Patentante geworden, so hat Greta fast ihr Ziel erreicht und ich bin sicher sie schmiedet auch schon neue Pläne.

 

12.      Die Li-La-Lotte

 

 Ich hingegen, komme dem Ende meiner Geschichte immer näher. Am besagten Tag trafen wir nicht nur Tassi im Schwimmbad, sondern ich traf auch meinen Adam.
  Die Begegnung mit Adam hatte tatsächlich auch was mit Wasser zu tun, denn als wir uns trafen regnete es in Strömen. Ich verließ das Gebäude um ohne Greta nach Hause zu fahren, denn sie hatte im Eingangsbereich des Schwimmbades eine alte Arbeitskollegin getroffen. Lotte Land, so ihr wohlklingender Name, war mittlerweile in Rente. Greta und sie hatten sich immer so super verstanden und hatten sich nun natürlich viel zu erzählen. Einige Zeit stand ich bei den Beiden und hörte ihrem unaufhörlichen Redeschwall zu. Meine Müdigkeit wurde dabei fast bleiern und mir fiel es schwer ein Gähnen zu unterdrücken. Greta schien völlig vergessen zu habe, das ich existierte, so intensive unterhielt sie sich mit ihrer ehemaligen Kollegin. Irgendwann wurde es mir zu bunt und ich tippte Greta auf die Schulter.
  »Oh entschuldige Sus«, sagte sie aufgekratzt, »ich habe Lotte schon so lange nicht mehr gesehen und…«.
  Diesmal unterbrach ich ihre Erklärung in dem ich beschwichtigend die Hand hob und sagte:
  »Nicht so schlimm Greta, aber weißt du ich will jetzt nur noch nach Hause, ich bin echt total müde.«
  »Ja klar, warte ich komme gleich.«
  Doch ich sah in Gretas Gesicht das sie sich gerne noch länger mit Lotte unterhalten hätte und so sagte ich nur:
  »Hör mal, kein Problem. Ich fahre mit dem Bus Heim, dann könnt ihr euch weiter austauschen. Ich bin jetzt sowieso keine guter Gesprächspartner mehr.«
  »Oh wirklich Sus? Macht dir aus auch wirklich nichts aus?«
  Ich verneinte und dann verabschiedete ich mich rasch von den Beiden. Ich war einfach froh, dass ich endlich das Schwimmbad verlassen konnte um mich auf den Heimweg zu machen.
  Selbst das es regnete empfand ich jetzt als Befreiung und da es nur nieselte, benetzte auch nur eine sanfte Nässe mein Haar. Vorhin hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf bersten würde, weil er von den ausgesprochenen, in der Luft schwirrenden Gesprächsfetzen, so unter Druck stand.

 

13.      Bushaltestellen Verwirrung

 

  Der kühle Regen tat mir gut und eine Weile ließ ich zu, dass ich ziemlich nass wurde. Dann verwandelte sich das Nieseln in einen Platzregen und Schwups war ich kleddernass.   
  Als ich an der Bushaltestelle ankam hatte ich keine einzige trockene Faser mehr am Leib, so fühlte es sich zumindest an. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass mein Bus erst in einer Viertelstunde kommen würde, setzte ich mich erschöpft auf die Bank im Unterstand der Bushaltestelle. Ich war irgendwie zu nichts mehr fähig und stierte einfach vor mich hin, während ich darauf wartete, dass ich das unverkennbare Brummen des großen Fahrzeuges hören würde, dass mir sagte: Noch zwanzig Minuten, dann bist du endlich zu Hause.
  Doch es sollte anders kommen. Erschrocken fuhr ich hoch, als plötzlich ein Auto in der Einbuchtung der Bushaltestelle hielt und hupte. Genervt sah ich hoch und wollte schon angewidert mit dem Kopf schütteln und dem Störenfried signalisieren, dass ich mit seinem ungehobelten Verhalten ja nun gar nicht einverstanden sei, als der Fahrer des Wagens sich Richtung Beifahrerseite zu seinem geöffneten Fenster hin beugte und mir zurief:
  »Hallo Kätzchen, kannst du mir sagen wie ich zur Rosenquarz Straße komme? Mein Navi ist ausgefallen und ich kenn mich hier nicht aus.«
  Na das war mal ein Auftritt. Mein Gehirn konnte die Eindrücke an diesem Tag nicht mehr so rasch unter Dach und Fach bringen und so blieb ich einige Sekunden lang wie erstarrt sitzen. Denn als die Autoscheibe herunterfuhr erblickte ich für meine Begriffe den attraktivsten Mann den ich jemals gesehen hatte, sodass mir der Atem stockte. Seine Worte drangen zwar an mein Ohr, allerdings bis die Frage die er gestellte hatte, im Stellwerk meiner Gehirnwindungen die richtige Bahnen gefunden hatte, dauerte es ein wenig. Ich hatte schon die Befürchtung, dass die Zeitverzögerung mit der ich reagierte diesen tollen gutaussehenden Typ jeder Sekunde dazu veranlassen würden kopfschüttelnd die Scheibe wieder hoch zufahren und davonzurasen.
  Doch nichts geschah, weder bei ihm noch bei mir. Ich spürte eine Anspannung in meinem gesamten Körper und war nicht fähig mich aus dieser Starre die mich gefangen hielt, zu lösen.
  »Kätzchen!«, drang erneut diese ungewöhnliche Anrede an mein Ohr und erst da fiel die Erstarrung, die mich immer noch festhielt, von mir ab. Hatte er wirklich Kätzchen zu mir gesagt? Ja ich hatte mich nicht getäuscht, aber in der Sekunde wo ich ihn anblickte, ihn sah, seiner ansichtig wurde, war es um mich geschehen. Er hätte auch Schnuckelchen oder irgendeinen anderen dummen Kosenamen zu mir sagen können, in dem Moment war mir das völlig „piepschnurz“ egal.
  Nun auf jeden Fall nachdem er mich das zweite Mal mit Kätzchen angesprochen hatte, sprang ich auf und ging zu seinem Auto und beugte mich weit hinunter um ihn noch besser in Augenschein nehmen zu können. Aus der Nähe und ohne Abstand und dem Regen zwischen uns, sah er für mich noch anziehender aus. Ja es regnete noch immer und da ich schirmlos vor seinem Auto stand, prasselte der Regen nun auf meinen Rücken und während ich dort so stand und mir den Mann der mich mit „Kätzchen“ tituliert hatte, näher betrachtete, rann mir das Wasser langsam den Rücken hinab. Doch es fiel mir erst auf, als sich ein Rinnsal den Weg in meinen Slip bahnte, so fasziniert war ich von dem Kerl der da vor mir in dem Auto saß und mich anlächelte.
  Irgendwann fand ich dann auch meine Sprache wieder. Der Regen hatte sie nicht mit fortgespült, sie befand sich noch immer dort wo ich sie das letzte Mal in Gebrauch hatte, nämlich in meiner Kehle. Jedoch als ich fragte:
  »Was suchen Sie für eine Straße, ich habe sie vorhin nicht richtig verstanden.«, hörte sich meine Stimme an als steckte sie in der Kehle fest und wollte sich nicht richtig heraus wagen. Ich räusperte mich und ergänzte zaghaft:
  »Der Regen packt irgendwie alles in Watte und so habe ich Sie kaum verstanden.«
  Warum erklärte ich mich ihm so ausführlich? Das nahm Zeit in Anspruch und ich wurde nass und nasser, aber es erhöhte die Chance ihn länger ausführlich zu betrachten und was ich sah gefiel mir mehr und mehr. Spitzbübische braune Augen die irgendwelche grüne Einsprengsel hatten und dadurch zu funkeln schienen. Ein Mund mit vollen Lippen bei dem ich mir überlegte wie er wohl küsste, ein glatt rasiertes Kinn dem bestimmt auch ein Drei-Tage-Bart gut zu Gesicht gestanden hätte und volle kurzgeschnittene dunkelbraune Haare die zu schimmern schienen und bei denen ich mir ausmalte, wie meine Finger durch diese seidenweiche Wellen glitten.
  Während ich ihn noch eingehend betrachtete, stieg der Mann plötzlich aus dem Auto, mitten an der Bushaltestelle, war das zu glauben? Er schnappte sich einen Regenschirm den er wohl hinter seinem Sitz deponiert hatte, stürmte um den Wagen und spannte den Schirm über mich und ihn auf. Da standen wir nun und sahen uns in die Augen. Von da an ging alles so rasend schnell, dass ich heute nicht mehr im Einzelnen sagen kann wie mir geschah.

 

  Mein Name ist Adam und wie heißt du? So emotional überrumpelt hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Nicht seit dem mir Habib, ein Junge den ich damals beim Autoskooter auf der Kirmes kennengelernt hatte, einen unverhofften Kuss auf die Lippen drückte. Als ich nach Hause wollte hatte er mich zum Bus gebracht und als ich mich umdrehte um mich von ihm zu verabschieden, beugte er sich spontan und blitzartig zu mir hinunter, denn er war ein ganzes Stück größer als ich, und drückte mir einen herzhaften Kuss auf. Ich war total verdattert, sagte nichts, reagierte nicht, sondern stieg nur in den Bus ein und saß wie paralysiert die ganze Fahrt nach Hause nur da. Na ja damals war ich ein ahnungsloser Teenager also kein Wunder, doch heute als erwachsene gestanden Frau sollte ich eigentlich über den Dingen stehen, aber dieser Mann flashte mich wie eine Bombe die neben mir ins Wasser einschlug und mich im wahrsten Sinne des Worten komplett durchnässte beziehungsweise völlig durcheinander brachte. Nicht nur das mein Blut wild in meinen Adern pochte, nein – mein Atem ging rasend schnell und mein Puls klopfte hinter meinen Schläfen. Gut das neben uns der Verkehr laut rauschend vorbeifloss, sonst hätte Adam bestimmt gehört wie heftig ich atmete und welche drolligen Geräusche mein verdutztes „Ich“ machte, als er so nah bei mir stand. Überdeutlich war ich mir meiner Aufgeregtheit bewusst und so checkte ich erst gar nicht, dass der Bus kam und wir dringend aus der Haltebucht weg mussten. Irgendetwas sagte Adam zu mir, doch es drang nicht bis in mein Bewusstsein. Da öffnete er auch schon die Beifahrertür seines Autos und verfrachtete mich auf den Sitz. Er schlug die Tür zu, rannte um seinen Wagen und stieg selbst ein, während das wütende Hupkonzert des Busfahrers uns aus der verbotenen Zone vertrieb.   
  Adam gab Gas und wäre beinahe noch mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidiert, doch er konnte das Lenkrad in letzter Sekunde rum reißen und so entgingen wir nur knapp einer Blechkarambolage.

 

  Mein Herz klopfe vor Aufregung und den Schrecksekunden in denen wir fast einen Unfall gehabt hätten. Er steuerte den Wagen die regennasse Straße entlang und hielt etwas später an einer Tankstelle, die sich plötzlich vor uns auftat. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir geschwiegen, da die Ereignisse uns Beide gefangen hielten. Adam stellte den Motor aus als er an der Staubsaugerstation den Wagen parkte. Dann lehnte er sich zur Seite sah mich lächelnd und mit einem unverkennbaren Schalk in den Augen an und fragte schlichtweg:
  »Wie war noch mal dein Name?«

 

14.      Adieu Hoffnung , Willkommen Zukunft

 

  Von da an entwickelte sich unserer Geschichte in so rasantem Stil wie sie angefangen hatte. Martin von dem ich gedacht hatte, dass er sich irgendwann richtig für mich entscheiden würde, mit mir in eine gemeinsame Wohnung ziehen würde und wir vielleicht doch eine Zukunft hätten, verabschiedete sich kurzer Hand von mir, mit den Worten:
  »Suse mach‘s gut, aber auf Hausmütterchen mit Hüftgold steh ich nicht.«‘
  Zu dem Zeitpunkt war mir das schon völlig egal, denn Adam war da schon seit zwei Wochen in meinem Leben und ich schwebte wie auf Wolke sieben. Bei ihm durfte ich Hausmütterchen sein und er fand es toll wenn ich ihn mit Koch- oder Backkünsten verwöhnte und auch mein Hüftgold schien ihn nicht zu interessieren. Irgendwann zog er mich nach dem Essen mal auf seinen Schoss und meinte liebevoll:
  »Da soll noch mal einer sagen, dass Liebe nicht durch den Magen geht.«
  Siebenhundertdreißig und ein Tag und wir sind immer noch zusammen. Jedoch musste ich erfahren, dass Liebe nicht nur durch den Magen geht, sondern auch schwierige Zeiten durchstehen muss.

15.      Der letzte Schritt

 

  Adam war oft im Ausland, weil er dort für seine Firma an Projektarbeiten maßgeblich beteiligt war. Dann sahen wir uns manchmal wochenlang nicht und auch sonst wurde es dann mit jeglicher Kommunikation schwer. Wenn ich mich dann bei ihm darüber beschwerte, war er manchmal sehr abweisend und verständnislos gegenüber meinen Vorwürfen. Es war schlimm für mich, wenn wir keinen Konsens fanden und er mir dann sagte, dass mein gluckenhaftes Verhalten ihm auf den Senkel ging. Ich hatte Angst ihn zu verlieren und deshalb zog ich mich zurück. Umso öfter er weg war, umso unglücklicher wurde ich.
    Eines Tages als er wieder einmal von einem langen Auslandsaufenthalt nach Hause kam und er mich sage und schreibe nur drei Mal in fünf Wochen angerufen hatte, holte ich ihn auch nicht vom Flughafen ab, wie ich es sonst immer tat. Ich umarmte ihn auch nicht zur Begrüßung als er zur Tür hereintrat und als er vor mir stand und mich fragte was denn los sei, konnte und wollte ich ihm nicht antworten. Als er fort war hatte ich lange überlegt und mit mir gehadert, aber ich war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass es so nicht weiter gehen konnte. So wollte ich nicht den Rest meines Lebens verbringen. Immer auf den Geliebten zu warten und nie zu wissen wo er ist und was er macht oder ob was passiert sei und er sich vielleicht deshalb nicht meldete. Ich war schließlich nicht mit einem Matrosen liiert und wir lebten auch nicht in der Zeit der Jahrhundertwende, sodass keine Kommunikation möglich gewesen wäre. Es schien Adam einfach nicht wichtig genug zu sein mit mir zu reden, ich schien ihm nicht wichtig genug zu sein. Unverständnis wurde zu Traurigkeit und Traurigkeit zu Verzweiflung und Wut. Dann folgte eine Phase der Lethargie und schließlich gelangte ich zu der Gewissheit, dass das Ganze mit uns keine Zukunft haben würde und ich plante die Beziehung endgültig zu beenden.
  Dieser Verlauf meiner Befindlichkeiten fand jedes Mal statt wenn Adam längere Zeit nicht da war und es endete immer gleich. Wenn ich ihn am Flughafen abholte, flog ich ihm in die Arme und alles war vergessen. Jede Verzweiflung, jede Träne die ich vergossen hatte und jede Wut die ich verspürt hatte, waren wie ausgelöscht.
  Doch nun war die Grenze erreicht. Die letzten fünf Wochen hatten das Fass zum Überlaufen gebracht. Es hatte mich mehrere Tafeln Schokolade, Chips und Wein gekostet bis ich den unumstößlichen Beschluss gefasst hatte mich von Adam zu trennen und dieser für mich endlosen Qual ein Ende zu machen.
  Stocksteif saß ich auf dem Stuhl am Küchentisch und rührte mich nicht. Selbst als er vor mir stand und mir die Hand auf die Schulter legte, riss ich mich zusammen und reagierte nicht. Adam rückte sich einen Stuhl zurecht und setzt sich mir direkt gegenüber hin und sah mich lange an bevor er mit mir sprach. Die lange Stille war fast unerträglich für mich und zweimal war ich kurz davor mein mir selbst auferlegtes Schweigen zu brechen und alles herauszulassen, was sich so lange in mir aufgestaut hatte. Ich wollte erzwingen dass er anfing zu reden, die Sache klärte und wenn er mich nur etwas liebte, dann würde er das tun. Also blieb ich standhaft und saß flach atmend auf meinem Stuhl. Panik stieg in mir hoch als er mich so mit seinen Augen fixierte und ich spielte in Gedanken beunruhigt die ganzen Szenarien durch die sich aus dieser Situation hätten ergeben können.
  Doch wie so oft in meinem Leben geschah davon gar nichts. Weder schrie Adam mich an, noch beschimpfte er mich, noch warf er mir vor eine unflexible dumme Kuh zu sein, noch rastete er aus und zerschlug die Wohnung zu Kleinholz. Er saß mir nur ganz ruhig gegenüber und sah mich an. Ich hatte das Gefühl, das dieser Zustand des Schweigens zeitweise noch schlimmer war als der Umstand der sich hätte ergeben können, hätten sich eine meiner Befürchtungen bewahrheitet. Wenigstens dachte ich so in meiner Angespanntheit. Ich bemerkte auch nicht, dass ich hektisch meine Finger knetete und mir verzweifelt in die Hand kniff, aber Adam bemerkte es.
  Als er endlich aufstand und zu mir rüber kam, zog er sich einen Stuhl heran bis er direkt vor mir saß und sich unsere Knie berührten. Dann ergriff er meine Hände und löste so den zwanghaften Drang meiner drohenden Selbstverstümmelung. Die Worte die aus seinem Mund kamen waren für mich wie ein Dammbruch und schon strömten Tränen aus meinen Augen. Ich schluchzte tonlos und hörte ihm nur zu ohne ihn wirklich anzusehen. Das Verblüffende für mich war dann nicht, dass er endlich mit mir sprach oder die Worte die er wählte, sondern die Tatsache, dass er genau wusste warum er mich in dieser Situation vorgefunden hatte.
  Obwohl, ganz stimmt das nicht. Denn als Adam anfing zu reden waren seine ersten Worte:
  »Kätzchen«, fast blieb mir das Herz stehen, »das war meine letzte Reise!«
  Mehr sagte er erst mal nicht. Ich dachte ich hätte mich verhört und mein gutes Einbildungsvermögen würde mir seine Worte nur vorgaukeln. Deswegen reagierte ich auch nicht sofort, sondern verharrte in meiner Sitzhaltung, die ich schon seit seinem Eintreten nicht verändert hatte. Er ließ sich aber von meiner stoischen Haltung nicht beeindrucken.
  Welch ein Glück! Er zog mich mit sanfter Gewalt wieder Mal auf seinen Schoss, nahm mich in den Arm und flüsterte mir ins Ohr:
  »Kätzchen, hast du gehört was ich gerade gesagt habe?« Zögernd und mit belegter Stimme antwortete ich leise:
  »Ja, aber bitte sag es noch mal und bitte sehr langsam.«
  Nachdem Adam die Worte für mich wiederholt hatte und sanft meinen Hals küsste, berichtete er mir, dass er schon vor geraumer Zeit seine Versetzung in den Innendienst beantragt hatte und mir nur nichts sagen wollte, um mich damit zu überraschen. Später erklärte er mir, dass es ihm jedes Mal schwerer fiel diese Reisen zu machen und nicht nur weil es ihn persönlich stresste. Er habe für sich festgestellt, dass er sich eine andere Zukunft wünschte und in der sollte ich eine Hauptrolle übernehmen. Ja so drückte er sich tatsächlich aus.
  So kann sich alles ändern. Aus einer zu Tode betrübenden Situation kann eine Himmelhochjauchzende werden und aus einer aussichtslosen Zukunft ein reich beschenktes Leben. Ich habe es nie bereut Adam an diesem Tag nur mit meinem Schweigen zu begegnen und mich ihm dann völlig zu öffnen, in dem ich später seinen Heiratsantrag annahm.

 

 16.  Die rote Robe 

 

  Der Tag an dem Adam mich fragte ob ich seine Frau werden wolle, war mit der schönste in meinem Leben. Ungefähr drei Wochen nachdem Adam seinen neuen Arbeitsbereich im Innendienst aufgenommen hatte, war er schon irgendwie ein anderer Mensch. Mir erschien er ausgeglichener und noch liebevoller als sonst in den Zeiten in denen er zu Hause war.
Die geregelten Arbeitszeiten taten ihm gut und nicht selten fragte er:
  »Kätzchen, was machen wir denn am Wochenende? Ich hätte mal wieder Lust was Schönes mit dir zu unternehmen.«

 

  Wenn er so ankam wusste ich es war Schmusezeit. Ich hatte damit angefangen mich dann grinsend in seine Arme zu werfen und zu sagen:
  »Mein Herr und Meister, ich bin zu allem bereit.« Das endete meist genauso wie ich mir das wünschte. Es war ein Ritual, ein sinnliches Unterfangen, dass es uns ermöglichte unser humorvoll besetztes Gefühlsleben in die Tat umzusetzen. Das war herrlich und zum Schluss, wenn wir Arm in Arm dalagen, erzählter er mir immer was er sich neues ausgedacht hatte. Es war ein schöner Frühlingsnachmittag zu Beginn eines langen Wochenendes, wir lagen unter einer Decke auf dem Sofa, da sagte Adam etwas schläfrig und mit einem Gähnen in der Stimme zu mir:
  »Kätzchen, ich glaube ich gehe morgen mit dir in den Zirkus.«
Belustigt zog ich eine Augenbraue nach oben und sah ich aus den Augenwinkeln fragend an. In den Zirkus wollte er mit mir? Ich lag mit dem Kopf auf seiner Brust ich hörte seinen fein pochend konstanten Herzschlag und spürte wie sein Atem gleichmäßig und leicht dahinfloss. Ob er das schon im Schlafdelirium nur so dahin gesagt hatte, konnte ich in dem Moment nicht mehr herausfinden. So rasch war er weggeschlummert und er schlief so zuckersüß, da wollte ich ihn nicht aufwecken um dieser Sache auf den Grund zu gehen. Später war noch genug Zeit.
 Zirkus?“, kam mir ein bleierner Gedanke. „Wann war ich das letzte Mal im Zirkus? “, dann fielen auch mir die Augen zu.

 

  Es war Samstagabend und wir waren nun tatsächlich auf dem Weg in die Abendvorstellung des Zirkus der in unserer Stadt gastierte. Adam sagte mir, er hätte Karten von seiner Firma für die Galavorstellung bekommen und ich sollte ein schickes Kleid anziehen, da wir auch noch in der VIP Lounge säßen. Damit begann mein „Was-ziehe-ich-bloß-an-Dilemma“ mal wieder von vorne. Zum Glück fiel mir ein, dass ich ja noch das elegante rote Kleid besaß das ich auf der Hochzeit meiner Schwester vor sechs Jahren getragen hatte. Mit bebenden Knien fand ich mich vor meinem Kleiderschrank wieder, als ich im Begriff war die feine rote Robe überzustreifen. Würde sie mir noch passen oder würde mein schlimmster Alptraum wahr? Währen ich noch mit hocherhoben Armen das Kleid überstreifte, sah ich vor meinem inneren Auge, wie der Stoff mit einem schreckenslaut an der kompletten rechten Seite neben dem Reißverschluss von oben bis unten aufriss, als ich die Arme senkte. Für einen Augenblick überlegte ich ernsthaft ob ich einfach so stehen bleiben sollte und die Arme niemals wieder senken sollte, denn nur so könnte ich meinem vermuteten Super-Kleider-Fiasko entgehen. Jedoch wunderbarerweise rutsche das rote weiche Stöffchen wie eine herabgleitende Feder über meine Haut und schmiegte sich zaghaft um die Kurven meines Körpers. Ich nahm die Arme herunter und starrte mich verblüfft im Spiegel an. Da hatte das wöchentliche Schwimmen mit Greta doch tatsächlich mehr gebracht als ich jemals vermutet hätte. Ein Lachen zeichnete sich vor Glück auf meinen Mundwinkeln ab und um nicht laut los zu Jauchzen und Adam zu Allamieren, denn ich wollte diesen Triumpf allein für mich genießen, biss ich mir vor Freude in den Finger. Wie sich herausstellte war es aber dazu zu spät. Nicht nur unübliche Laute meinerseits lockten diesen Mann vorm Fernsehen weg, sondern auch eine ungewöhnliche Stille, die sich aus meiner Richtung zu ihm hin ausbreitete. Plötzlich stand er in der Tür und lehnte in deren Rahmen. Als ich ihn bemerkte und mich abrupt umdrehte stieg mir die Röte ins Gesicht, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Ich öffnete den Mund und wollte irgendeine Erklärung abgeben, doch er kam mir zuvor. Ich bin halt etwas langsam in solchen Situationen und er sagte nur:
  »Deine Augen strahlen Kätzchen, lass uns Schuhe kaufen gehen.«  

 

17.      VIP Kapriolen  

 

  Adam parkte den Wagen auf dem großen Vorplatz des Zirkuszeltes. Der Zirkus war von einem weißen Zaum umkreist der oberhalb seiner geschwungenen Teilstücke in beleuchteten Bögen endete. Den pompösen Eingang bildete eine Art metallener Rosenbogen dessen Verschnörkelungen ebenfalls in elektrisches Licht getaucht waren. Von weitem sah es aus wie ein etwas zu plumpes, weiß-blau erleuchtetes Märchenschloss. Eine kindliche Vorfreude ergriff mich, als Adam meine Hand nahm und mich zu dem kleinen Kassenhäuschen führte in dem eine ältliche, grauhaarige kleine Frau saß die uns freundlich anlächelte und krächzend fragte:
  »Zwei Erwachsene?«
  »Nein«, erwiderte Adam und zeigte der Grauenhaarigen unsere VIP Pässe.
  »Ihr Name bitte werter Herr, ich muss sie auf meiner Liste abstreichen.« „Werter Herr“, toll dachte ich. Normalerweise traf man in so einem Etablissement doch wohl eher selten auf herrschaftliche Etikette. Doch Adam zuckte mit keiner Wimper sondern verkündete, zu meiner Entzückung, sehr würdevoll:
  »Herr Adam Ritter nebst seiner Dame.« Die graue Madame lächelte uns noch einmal freundlich zu und wies uns dann mit einer einladenden Handbewegung den Weg Richtung Zelteingang.
  Es waren schon viele Besucher im Zelt versammelt als wir das Zelt durch die hochgeschlagen Plane einer der Zeltwände betraten. Die Manege lag noch im Dunkeln nur das Gardin, die runde Zuschauer Tribüne, war erleuchtet. Wir mussten das halbe Zirkuszelt umrunden um zu der Treppe neben dem Sattelgang zu gelangen. Oberhalb des Sattelgangs lag die VIP Lounge, wir stiegen die Treppe hoch und standen dann vor einer Milchglastür die von einem „Man-in-black“ Security-Mann bewacht wurde. Adam zeigte auch hier seinen VIP Ausweis und nachdem er dem ernstdreinblickenden Wachmann auch seinen Namen genannt hatte, lies dieser uns den VIP Bereich betreten. Ich war erstaunt wie große dieser Raum war. Für mich ein architektonisches Wunder, denn er thronte quasi über dem breiten Sattelgang und Teilen der Zuschauerbühnen rechts und links. Nach hinten schien er länger zu werden und dort befanden sich große lange Tische unter denen Glaskuppeln herrliche Speisen erkennen ließen. Ich sah mindestens zwei Hummer und orangeschimmernden Lachs auf Servierplatten appetitanregend angerichtet. Auch die anderen Düfte die mir aus dieser Richtung entgegenströmten, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und ich drückte Adams Hand, weil er mich immer noch festhielt und nickte mit dem Kopf in Richtung der herrlich duftenden Speisen. Er schmunzelte und seine Lippen kräuselten sich leicht, dann beugte er den Kopf zu mir herüber und flüstere mir zu:
  »Hast Du das Wichtigste schon wieder entdeckt, Schleckermäulchen?«
  Ich knuffte ihn in die Seite und grinste. War ja klar, dass er mich wieder aufziehen musste, nicht einmal konnte er so reagieren wie ich es mir erdachte. Im Gegenzug hätte ich mir eigentlich auch denken können, dass Adam so reagierte wie er es eben getan hatte. Vielleicht liebte ich ihn auch gerade deshalb.
  Erst einige Augenblicke waren vergangen, da wir die VIP Lounge betreten hatten, da erwartete uns auf der anderen Seite schon eine nette Kellnerin und geleitete uns zu unserem Tisch. Obwohl der Raum sehr groß war, gab es doch nur Sitzgelegenheiten für acht Personen. Wir machten es uns in weichen, königsblauen Drehpolstersesseln bequem. Es war sehr exquisit und komfortabel, auf der anderen Seite aber auch irgendwie gemütlich. Jeder Tisch war festlich eingedeckt und in der Mitte des kleinen Tisches prangte ein Rosenbukett, von dem auslaufende Efeuranken mit glitzernden Perlenschnüren wie Kaskaden die Tischkante hinunterfielen.     
  Die Kellnerin brachte zwei Gläser Champagner, hauchte uns ein: »Wohl bekomms.« entgegen und verschwand dann leise wieder hinter die kleine Bar, die sich in hinteren Teil der Lounge befand.
  Die Atmosphäre hier war irgendwie unwirklich. Wir saßen hier oben hochherrschaftlich in unserer vornehmen Montur und dort unten zu unseren Füßen lag das Zirkuszelt, in dem es jetzt nur so vor Menschen wimmelte. Die Ankömmlinge, die alle in ihren Alltagskleidern anscheinend unaufhörlich das Zelt eroberten, schienen aus einer anderen Welt zu stammen. Es war für mich wie Drei-D Fernsehen und ich konnte mich an dem Anblick gar nicht satt sehen. Plätzte wurden gesucht, Jacken und Taschen verstaut und Rufe wurden laut. Einige setzten sich und richteten sich ein, andere standen wieder auf und tauschen dann noch mal den Platz mit dem Nachbarn, um vielleicht eine bessere Ansicht zu ergattern.
  Auf einmal brüllte ein Mann gellend und ungeniert:
  »Martha, Martha komm schon her. Was suchst du denn dahinten? Hier sind unserer Plätze. Immer hinkst du hinterher.« „Oh je“, dachte ich arme Martha, doch nur kurz, denn Sekunden später machten sich zwei kreischende Jungs daran die Manege zu erobern. Sie sprangen über das Abtrennungsgeländer und spielten fangen auf dem mit Sägemehl ausgestreuten Platz. Das ging so lange bis einer vom Zirkuspersonal die Beiden einfing und sie zu ihren Eltern zurückbrachte. Wir konnten sehen wie der Einfänger vehement mit den Händen Anweisungen an die Eltern der Jungen gab, verstehen konnten wir das Gesagte allerdings nicht, dazu waren wir zu weit entfernt. Die Familie saß uns gegenüber auf der anderen Seite der Manege und ich meinte gerade noch ein griesgrämiges Gesicht der Mutter erkennen zu können, als sich der Zirkusangestellte geflissentlich zurückzog.

 

18.      Schokoladen-Liebe 

 

  Und da tauchte auch schon der Verkäufer mit dem Bauchladen im unteren Gang auf und rief in einem immer wiederkehrenden Singsang:
  » Schokkelad, Eis und Erdnüsse, - Eis, Erdnüsse und Schokkelad, - Erdnüsse, Schokkelad und Eis …«
  Ja er rief „Schokkelad“, das hörte sich so lecker und vollmundig an, dass ich am liebsten schnell runter gesprintet wäre um mir eine Tafel zu kaufen.
  Adam bemerkte wohl wie ich mich fast unmerklich in meiner Haltung nach vorne beugte um den Verkäufer besser sehen zu können, denn als ich in sein Gesicht sah entdeckte ich dieses untrügliche Grinsen, dass er immer aufsetzte, wenn er mich bei einer Ernährungssünde ertappt hatte. Ich zog eine Grimasse, schlug die Beine lässig übereinander und lehnte mich entspannt mit übertrieben gleichgültigem Gesicht zurück in meinen Sessel. „Na gut dann gibt’s eben keine Süßigkeiten vorab. Dafür sitze ich in der bevorzugten Zone um die mich bestimmt fast alle anderen Zuschauer beneiden.“, rief ich mich in Gedanken zur Ordnung und versöhnte mich so mit mir selbst.
  Ich schielte zu Adam hinüber und entdeckt zu meinem Unbehagen, dass er mich lachend beobachtete. Mir stieg die Röte in die Wangen. Das passierte mir immer noch, obwohl wir uns nun schon so lange kannten und er sich meiner süßen Faibles durchaus bewusst war,  liebte er mich trotzdem. Das wiederum konnte ich im Blick seiner heiteren Augen erkennen. In dieser Sekunde spürte ich wie mein Herz aus Liebe zu ihm anfing zu flattern und ich strahlte ihn vor Freude an.

 

19.   Clownerie

 

  Bis jetzt hatten Adam und ich noch nicht viel miteinander geredet und der Zustand sollte auch noch eine Weile anhalten. So viele Eindrücke nahm ich wahr und ich war begeistert von der Tatsache, dass wir den Abend auf diesen privilegierten Plätzen genießen durften. Dann ging es endlich los, die Gardin wurde abgedimmt bis sie im Dunkeln lag und gleichzeitig wurde die Manege leicht erhellt und der Zirkusdirektor betrat in dem ihm folgenden grellen Scheinwerferlicht die Arena und hielt seine Begrüßungsrede:

»Hochverehrtes Publikum, heute Abend werden Sie Zeugen von einzigartigen Darbietungen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Sie werden sehen wie Menschen und Raubtiere eins werden. Wie Akrobaten dem luftigen Raum Substanz verleihen, wie wilde Mustangs mit den reitenden Artisten eine Symbiose der Balance eingehen. Bezaubernde Zauberer werden Ihre Sicht der Dinge eine andere Ansicht ermöglichen. Illusion und Fantasie, Hypnose und Vertrauen, die Kunst der Künstler und das atemberaubende Schauspiel der Schauspieler die mit der Leichtigkeit eines Taschenspielertricks Ihre Sinne betören werden. All das, werden Sie geschätzte Gäste des Zirkus Fantastico, am heutigen Abend miterleben dürfen.

Aber… es gibt Figuren die natürlich in keinem Zirkus fehlen dürfen. Werfen Sie Ihre Träume in die Hüte und stecken Sie ihre Bedenken in die Taschen…der Clowns!«

Mit dieser lauten Aufforderung an das Publikum stürme eine Horde von bunt kostümierten Clowns die Mange. Unter dem Jubel der Zuschauer und einer fast ohrenbetäubenden Orchestereinlage nahmen Sie für eine kurze Weile den Zirkus völlig gefangen. Einer warf Blümchen auf die Zuschauerränge, ein andere spritze die Leute aus einer riesigen Blume mit Wasser nass und wieder ein anderer Clown, mit einer riesigen roten Perücke, warf aus einem Eimer Konfetti in die lachende Menge. Nur in der Mitte der Arena stand ruhig ja fast starr der selbstgefällige Schwarz-weiß Clown. Wie ein lebendes Schachbrett stand er dort und wirkte irgendwie grotesk in der bunt umherwirbelnden Gesellschaft der anderen Clowns. Er betrachtete das Treiben seiner Kollegen mit einem abwertenden Blick und betrachtete desinteressiert und hochmütig seine eine weiße behandschuhte Hand mit den anscheinend perfekt manikürten Fingernägeln. Dann wurde er jäh in seinen selbstverliebten Betrachtungen gestört, als einer der farbenreich gekleideten Clowns ihn von hinten anrempelte. Plötzlich erwachte der Schachbrettclown zum Leben und rannte wie ein geölter Blitz hinter dem Anrempler her und als wäre dies ein Anpfiff zu einem Wettlauf gewesen, setzten sich nun auch alle anderen in Bewegung und rannten hintereinander her um sich zu fangen. Da jedoch mindestens zwei der Narren riesige Schuhe trugen, gestaltete sich das „Ich-kriege-dich-schon-noch-Spiel“ äußerst schwierig. Es endete in einem irren Tumult, bei dem alle Beteiligten wollknäulartig verstrickt auf dem Boden landeten. Dann wurde es schlagartig dunkel und man hörte erschrockenes Geschrei in der schlagartig eingetretenen Finsternis des Zeltes. Eine Stimme rief:

»Mach doch mal wieder Licht!« Ein Anderer antwortete: »Ich finde den Schalter nicht.« Rumpeln und Rumoren war zu hören, dann ein „Klack“. »Ich hab’s!«, folgte eine dumpfe Antwort, als käme sie aus einem anderen Teil des Zirkus. Jetzt konnten die Zuschauer beobachten, wie das Licht eines matten Scheinwerferstrahls langsam die Manege absuchte. Zitternd wie der Schein einer geführten Taschenlampe bewegte sich das matte Licht, bis es auf das Clownswirrwarr traf. Gemächlich erklomm es den Berg aus bunten Körpern. Oben angekommen hielt es inne, wurde heller und heller, und beleuchtete grell einen einzelnen weiß gekleideten Arm der aus dem Haufen bunter Kostüme herausragte und eine goldene große Kerze in der Hand hielt. Das Licht umrundete den Arm, der Lichtstrahl wurde dünner und vorne spitz, dann kroch er den Arm bis zur Kerze hoch und zuckte ein paar Mal auf, als wenn ein Streichholz Feuer entzünden würde. Mit einem immer lauter werdenden Becken-Wirbel und dem dazugehörigen infernalen Tusch am Höhepunkt, schnellte eine Fontäne, wie bei einer riesigen Wunderkerze, aus Blitzen in die Höhe. Ein beglücktes Kribbeln durchströmte mich und die Zuschauer johlten vor Begeisterung. Dann wurde es wieder hell und das Clownknäul löste sich auf, alle halfen sich kollegial auf die Beine und verließen nach etlichen Verbeugungen, toll umhertobend, die Manege.

1.      20,2020.  Der salzige Geschmack des Meeres

 

  Was für ein klassisches Zirkusgewimmel. Schon die erste Darbietung fand ich einfach herrlich. Ich konnte mich vor Begeisterung gar nicht retten und ich empfand eine kindliche Freude, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete.
  Es folgten wie angekündigt die verschiedensten Attraktionen und manche Dinge hatte ich wirklich noch nie gesehen auch nicht im Fernsehen. Nun gab es eine Pause und ich hatte endlich Zeit während des Essens ein bisschen mit Adam zu plaudern. Ich bemerkte überhaupt nicht, dass ich ihn vor froh gestimmter Aufregung nicht zu Wort kommen ließ. Bis er mich unterbrach und sagte:
  »Wow, wow, wow, Kätzchen, jetzt mach doch mal eine Pause und genieß mit mir das Essen.«
  »Aber weißt du Adam…«, ich setze nach einer kurzen Atempause zu einem neuen Redeschwall an, denn ich konnte mich einfach nicht zurückhalten, »ich freue mich doch schon so auf die Raubtierdressur, die habe ich immer am liebsten.«
  »Ich weiß,« erwiderte Adam, »als wir letztens den Zirkus Krone im Fernsehen sahen, hast du mir das schon gesagt.«
  »Ach ja? Das war mir gar nicht bewusst.«,
  War ich wirklich schon so vergesslich? Nachdenklich schob ich mir eine Krabbe von dem unglaublich leckeren Krabbensalat in den Mund und genoss den salzigen Geschmack der Meeresfrüchte, die ich so liebte. Etwas von dem Hummer hatten Adam und ich schon im Vorfeld verspeist und dazu gab es selbst gemachte Aioli und Guacamole mit frisch gebackenen kleinen Brötchen. Auf Salat konnte ich dabei getrost verzichten, wer braucht Grünzeug, wenn man sich so einer Geschmacksexplosion hingeben kann. Danach stürzten wir uns im wahrsten Sinne des Wortes auf das Sushi. Die formvollendet angerichteten Platten mit diesen asiatischen Köstlichkeiten ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Am liebsten hätte ich alles probiert und mir noch heimlich etwas mit nach Hause genommen. Wenn ich eine Tupperbox dabei gehabt hätte, ich hätte mich nicht geniert und nachgefragt ob ich eine Kleinigkeit einpacken dürfte und dabei hätte Adam sich dann vor Entsetzen die Haare einzeln ausgerauft. Sowas würde er nämlich nie tun, er sagt, dass wäre stillos und wir hätten doch schließlich genug zu essen. Aber die Realität war doch so, umso weniger Nahrungsmittel wir wegschmissen, umso mehr würde es uns die Umwelt eines Tages danken, darüber hatten wir schon oft diskutiert. Natürlich schnitt ich dieses Thema an diesem wunderbaren Abend nicht an. Ich aß einfach alles auf und ließ nichts zurückgehen, auch auf die Gefahr hin, dass mir nachher schlecht wäre.
  Adam und ich verbrachten danach den Rest der Pause mit ausschweifenden Schwärmereien über das leckere Buffet und im Anschluss bestellte er bei der Kellnerin noch zwei Single Malt Whisky.
  Glücklich dachte ich „Besser kann es doch gar nicht kommen!“ Doch ich irrte mich.

 

1.      20.   Löwenfeuer   

 

  Die Pause verging wie im Flug und schon ertönte der Gong und bedeutete uns den Anfang des zweiten Teils der Zirkusvorstellung. Nun kamen wieder die verrückten Clowns, dann zeigten Drahtseilakrobaten ihr Können und Jongleure wirbelten Ringe, Kegel und Obst in den Lüften durcheinander, als sich die Vorstellung dem Ende neigte kündigte der Zirkusdirektor die große Tierdressur an.
  »Ich hole uns noch schnell etwas zu trinken, die Kellnerin wird auf mein Winken einfach nicht aufmerksam.«, sagte Adam gehetzt. Sprach‘s stand auf und war weg.
  »Ja, aber beeile dich, jetzt kommen die Raubtiere.«, rief ich ihm noch aufgeregt nach.
  Da öffnete sich auch schon der dicke blaue Samtvorhang und der Dompteur kam mit knallender Peitsche in die Arena, die jetzt mit einem riesigen Käfig eingefasst war. Erwartungsvoll reckte ich den Kopf nach vorne und war gespannt, welche Raubkatzen der Zirkus uns präsentieren würde. Der Dompteur betrat den Käfig durch die Gittertür und trat dann auf den schmalen Gittergang zu. Er hob die Verstrebungen an die die Tiere von der Arena trennten und Sekunden später liefen die großen Katzen, auf ihren massig samtenen Pfoten, durch den engen Gang.
 Löwen, wie wunderbar“, dachte ich entzück, denn Löwen waren meine Lieblingstiere.
  Der Tierbändiger knallte erneut hingebungsvoll mit seiner Peitsche und rief die Namen der majestätischen Geschöpfe. Brüllend und das Maul aufreißend schlichen die Großkatzen noch eine Zeit lang im Käfig umher und immer wieder schallten die Namen der Tiere zu mir herauf. Taio, Mara, Imani, Mabou, Hodari und Vuyo.
  Fasziniert betrachtete ich die Tiere, wie sie sich trotz ihres massig muskulösen Körperbaus auf ihren Samtpfoten, behäbig einher bewegten. Sie stolzierten durch den Käfig und warfen dabei hungrig wirkende Blick auf die Zuschauerränge. Sollte Jemand dieses Schauspiel das erste Mal gesehen haben, so hätte es mich nicht gewundert, wenn ein ängstliches Unbehagen ihn ergriffen hätte. Denn viel weiter entfernt kann die Realität zwischen Fernsehen und der Ansicht eines lebendigen Löwen nicht sein, wenn die Tiere einem plötzlich so nah sind. Außer man begegnet einem dieser Tiere in freier Wildbahn, dann hat diese Lebendigkeit noch mal eine ganz andere Bedeutung. Da wir uns aber nicht in der Savanne Afrikas befanden, konnte man diese Gefahr getrost ausblenden.
  Die Musik veränderte sich und mit dem Beginn des neuen Stücks, sprang schließlich jeder Löwe mit einer ungeahnten Leichtigkeit auf seinen ihm zugewiesenen Platz. Dann begann die Show und die Löwen folgten dem Ablauf der einstudierten Kunststücke. Die Galanummer der Tiere bestand in dem durchspringen drei brennender Reifen, die nach jedem Sprung einen kleineren Durchmesser hatten. Der kleinste maß nicht mehr als Schätzungsweise „ein Meter fünfzig“ und Imani die kleinste Löwin schrecke vor dem Feuerring zurück und verzog sich auf ihr Podest. Ich war gespannt was nun passierte, doch der Dompteur ließ das junge Weibchen in Ruhe und zwang sie nicht den Sprung zu wiederholen. Im Gegenteil er ging vorsichtig zu ihr hin und redete beruhigend auf sie ein, dann gab er ihr als erstes etwas zu fressen und kraulte ihr beruhigen den Nacken. Erleichtert drehte ich den Kopf in Adams Richtung und da bemerkte ich erst, dass er nicht da war. „War er an der Bar versackt?“, beunruhigt drehte ich mich um, doch an der Bar entdeckte ich ihn nicht. „Vielleicht war er zur Toilette gegangen? Er hatte während des Essens recht viel getrunken.“ Im Nachhinein fiel mir auf, dass es zum größten Teil Wasser war und nur ein Whisky. „Ja er war bestimmt auf dem WC, aber seit wann war er weg?“ Ich wusste nicht ob er zwischendurch wieder an unserem Tisch war, aber er musste hier gewesen sein, denn ein volles Glas Whisky stand an meinem Platz. Wahrscheinlich war ich so gebannt von der Vorführung in der Manege, dass ich ihn einfach nicht beachtet hatte, als er mir mittteilte, das er auf die Toilette ging. Doch wo war er jetzt? Konnte das wirklich so lange dauern? Männer waren doch immer so schnell in diesen Dingen. Ein lauter Knall und ein Trommelwirbel rissen mich aus meinen Gedanken. Das letzte Kunststück der Löwen wurde von einer Stimme aus dem Äther der Zirkuskuppel angekündigt. Der Ritt auf Vuyo dem ältesten Männchen, dem größten Tier der Gruppe. Der Löwe dominierte die anderen, aber nicht etwa durch ein aggressives Verhalten das er an den Tag legte, sondern durch eine Art Überlegenheit, die dieses Tier ausstrahlte. Er schüttelte sein riesiges Löwenhaupt das durch seine dichte volle Mähne noch imposanter wirkte, so wie es sich für den Anführer eines Rudels gehörte. Vuyo hatte wenig in der Vorstellung zu tun gehabt das wurde mir jetzt erst richtig bewusst.  Gelassen ruhte er auf seinem Podest und war einfach – da.
  Die Stimme aus dem Äther erklärte, der letzte Akt sei eine Glanznummer und sei so brisant, das Vuyo dazu allein sein müsse. Deshalb entließ der Dompteur nun die anderen Tiere und sie machten sich rasch durch den kleinen Bogengang davon. Die Gruppe hinterließ in mir den Eindruck, als wären sie heilfroh endlich diesem Zirkus entkommen zu sein.
  Nun sprang Vuyo sanft und gemächlich von seinem Ruheplatz auf dem er so königlich gethront hatte, schritt nach vorn und legte sich schwerfällig auf den Boden. Er schien mir irgendwie gelangweilt und ich dachte bei mir: „Na so brisant kann die nächste Nummer mit diesem Schmusekätzchen ja nicht werden.“  Der Löwe lag genau in meiner Blickrichtung und ich betrachtete das schöne Wesen und fragte mich wie sich sein Fell wohl anfühlte, wenn ich ihn streicheln könnte. So lieb wie er dalag dürfte das doch wohl keine Schwierigkeit darstellen.
  Da ging der Dompteur auf den Löwen zu und sprach mit ihm und plötzlich veränderte sich das Tier. Schlagartig setzte es sich hin und riss sein Maul mit den spitzen scharfen Zähnen weit auf. Sein Brüllen war wie eine Urgewalt die über mich hereinbrach und mir gefror das Blut in den Adern. Was für eine unglaubliche Kraft, was für eine gewaltige Macht steckte in dieser archaischen Kreatur. Schon die Bibel bedient sich dieses Tieres und seine Stellung unter den Tieren der Erde.
  Da fällt mir ein was meine Großmutter immer sagte, wenn Sie mit uns Kindern früher in den Zoo ging und wir dann vor dem Löwengehege standen. Jahrelang besuchten, mein Bruder und ich mit unserer Großmutter, mindestens vier Mal im Jahr den Zoo in unserer Stadt. Wenn wir dann bei den Löwen ankamen und wir eine Weile vor dem Gehege standen, sprach sie immer den einen selben Satz. Sie sagte es nie laut, aber ich habe ihr leises Flüstern trotzdem verstanden:
  »Der Löwe, der Held unter den Tieren – er weicht vor nichts zurück,…«
  Wenn ich zu ihr hoch sah, hatte sie immer so einen verklärten Gesichtsausdruck und ich spürte wie sie meine Hand die sie fest umschlossen hielt, noch ein bisschen fester drückte. Als Kind war ich irgendwie ergriffen und bei jedem Zoobesuch wartete ich schon ungeduldig auf den Zeitpunkt an dem wir bei den Löwen eintrafen. Das geheimnisvolle Verhalten meiner Großmutter jagte mir Schauer über den Rücken und als Kind wagte ich nicht sie zu fragen, warum sie dieses Ritual immer wieder durchführte. Meine Neugier allerdings ließ mich nie los. Als ich sechzehn war wurde meine Großmutter sehr krank und ich musste immer daran denken, dass ich vielleicht nie erfahren würde was es mit dem Flüstersatz im Zoo auf sich hatte, wenn ich sie nun nicht danach fragen würde. Kurz bevor sie starb traute ich mich dann doch sie zu fragen und heute bin ich sehr froh, dass ich es getan habe, denn meine Liebe zu diesen Tieren kommt eindeutig von ihr.
  Ich stand an ihrem Krankenbett und nahm schüchtern ihre schmal gewordene Hand, dann fragte ich einfach und geradeheraus:
  »Oma, wenn wir früher zusammen im Zoo waren, warum hast du jedes Mal den Satz mit dem Löwen geflüstert?« Wissend sah sie mich aus ihren kleinen graugrünen Augen strahlend an. Dann sagte sie augenblicklich, als hätte sie lange darauf gewartet dass ich diese Frage stellte:
  »Drei Gründe hatte ich dafür mein Kind. Erstens ich wollte dich damit auf das Leben vorbereiten. Zweitens deine Neugier wecken und drittes dich lehren das Mut in dir steckt, du musstest nur neugierig genug werden um ihn zu finden. Vergiss nie Susanne, Löwen und Lilien sind beide Gottes Schöpfung und Gott sorgt für die zarte Pflanze genauso wie für das starke Tier. Denn beide brauchen Gott, ohne Gott sind wir nichts auf dieser Welt.«
  Einen Tag später starb meine Großmutter, aber ihre Liebe blieb immer bei mir.

 

1.      22.   Der Antrag des Dompteurs

 

  In der Manege herrsche jetzt eine gespannte Atmosphäre. Ein Mikrophon wurde an einem langen Kabel von der Zeltdecke in den Käfig heruntergelassen und der Tierbändiger hielt eine Ansprache:
  »Verehrtes Publikum, ich möchte Sie bitten bei der nächsten Darbietung strickte Ruhe zu bewahren und das Entsetzen das Sie dabei vielleicht empfinden könnten, durch keinerlei lautstarke Schreckensäußerungen kundzutun.«
  Die mysteriös klingende Stimme des Dompteurs erzeugte unter den Zuschauern eine komplexe Spannung die sich im gesamten Zirkus breit machte und auch mich ergriff eine verzückte Neugier auf das was da noch kommen sollte.
  »Meine Damen und Herren, erleben Sie einen mutigen unerschrockenen Mann, der den Ritt auf dem Löwen wagt. Ein Mann der gleich auf zweierlei Arten seien Mut beweist. Nicht nur das er auf dem König der Tiere, auf Vuyo, den Ritt durch die Manege wagt, nein, er lässt sich auch noch auf ein zweites Abenteuer ein.«
  Dann folgte ein sehr kryptische Vers:
  »Wo einer nicht reicht, tuen es zwei und wo zweien es reicht, werden sie eins.«
  Ich fand das sehr übertrieben und dachte nur: „Mensch Junge, lass das viele Quatschen und mach endlich mit der Vorstellung weiter.
  »In diesem Sinne hochgeschätzte Anwesende, bitte ich sie um einen gedämpften Applaus.«
  Mit dieser Aufforderung  bewegte sich der Dompteur langsam rückwärts auf die Gitterstäbe des Käfigs zu, der Scheinwerfer folgte ihm bis er mit dem Rücken das Gitter berührte. Dann wurde es dunkel und als das Licht wieder aufflammte legte es sich auf den Löwen, der jetzt allein in der leergeräumten Manege lag. Den Kopf hatte er auf den Vorderpfoten abgelegt und es sah aus als ob er gleich ein Nickerchen machen würde. Keinerlei Anspannung war im anzumerken, obwohl die Leute noch immer klatschten. Vielleicht wollten die den angekündigten Mann herbeiklatschen, weil dieser sich immer noch nicht gezeigt hatte. Doch dann erhellte ein zweiter Scheinwerfer das Rund und irrte suchend über den Boden. Abrupt hielt er an und schien ein wenig zu zittern. Ob der angekündigte Mann wohl auf dem Weg seinen Mut eingebüßt hatte und zu sehr vor Angst zitterte um den Käfig zu betreten? Doch da öffnete sich die Gittertür, der Löwe hob augenblicklich den Kopf und blickte interessiert in Richtung der Tür. Ein Mann der in einen schwarzen Umhang gehüllt war und einen übergroßen ebenfalls schwarzen Schlapphut trug betrat die Arena. In dem Moment erhob sich der Löwe und fixierte den Eindringling in Schwarz. Die gespannte Stille wurde durch erregtes Gemurmel abgelöst. Nun drehte der Löwe sich vollends zu dem Ankommenden um, stand aber noch ganz ruhig an seinem Platz. Der Mann blieb stehen als er sah wie der Löwe sich ihm zudrehte und ihn begutachtete. Die Gittertür hinter ihm schloss sich und sein Schicksal schien besiegelt. Sein Gesicht war unter dem riesigen Hut nicht zu erkennen und auch seine ganze Gestalt blieb noch unter dem Mantel verborgen. Jetzt eine Annäherung  zwischen Tier und Mensch. Schrittweise bewegten sie sich wie in einem Tanz aufeinander zu. Machte der Mann einen Schritt nach links einen Schritt nach vorn so ging der Löwe nach rechts und vorwärts und umgekehrt, aber ging der Mann direkt nach vorn, so bewegte sich auch der Löwe in diese Richtung. Das ging so lange bis der Schwarzgekleidete fast die Nasenspitze des Löwen berühren konnte. Sekundenlang standen sie regungslos voreinander, dann beugte sich der Mann nach vorn und schien dem Löwen etwas zuzuflüstern, worauf dieser zum Erstaunen Aller, das Haupt senkte. Der Mann strich jetzt vorsichtig durch die Mähne des Tieres und bewegte sich langsam um den Löwen herum, bis er neben ihm stand. Einen Moment verharrte er noch, dann hob er seinen Umhang an und schwang ein Bein über den Rücken des Löwen und saß rittlings auf ihm. Ein Raunen der Menge war von den Rängen zu hören. Tier und Mensch schienen eine Zeit zu brauchen um sich aneinander zu gewöhnen. Fast sah es so aus als würde der Löwe diese Konstellation nun doch nicht so gut heißen, denn er warf den Kopf in den Nacken und öffnete sein Maul, als wollte er zu einem lauten Gebrüll ansetzen, doch er schloss es wieder. Noch einmal beugte sich der Mann zum Kopf des Tieres und als er sich wieder aufrichtete tätschelte er dem Löwen die Schulter und das Tier bewegte sich. Der Schlapphutträger ritt tatsächlich auf einem der gefährlichsten Raubtiere der Erde durch die Zirkusarena. Wie lange konnte das gutgehen? Die Zirkusbesucher schafften es ihre Begeisterung zu zügeln und klatschen verhalten Beifall. Der Ritt endete als der Löwen am Ausgangspunkt dieser Exkursion ankam, da stieg der Mann rasch von dem Löwenrücken und riss sich dann urplötzlich Hut und Mantel vom Körper. Ich schrie auf und ich dachte mir würde das Herz stehen bleiben und dem Moment eskalierte die Situation. Der Löwe reagierte auf die plötzlich ruckartigen Bewegungen des Mannes, indem er brüllend auf ihn losging. Mensch und Tier gingen zu Boden und wälzten sich in den Sägespänen die den Grund bedeckten. Ich glaubte der Löwe würde nun den Tod bringen und einige Bedienstete stürmten in den Käfig und versuchten mit knallenden Peitschen die Kontrahenten zu trennen. Schreie wurden laut und Kinder weinten, dieser Abend schien in einem entsetzlichen Chaos zu enden. Meine Nervenenden lagen blank. Zitternd saß ich in meinem Sessel und hatte die Finger in die Lehnen gekrallt. Konnte das sein? Erlebte ich das gerade wirklich mit? Hatte ich eben, als der Mann sich enttarnte, meinen Adam gesehen? Nein, mein Verstand musste mir einen Streich gespielt haben, meine Augen sahen nicht was sie sahen. Voller Panik und stocksteif vor Angst starrte ich auf das Geschehen in der Manege.
  Und abermals änderte sich die anscheinend aussichtslose Lage. Jäh und ohne erkennbare Vorzeichen wurde aus dem tödlichen Gerangel ein ausgiebiges Schmuseritual. Zuerst war es nicht leicht zu erkennen, aber Mensch und Tier lösten sich auf einmal voneinander und der Löwe legte sich entspannt hin, während der Mann sich auf dem Rücken ausstreckte mit hinter dem Kopf verschränkten Armen.
  Ich hätte am liebst laut losgeschrien. Adam lag dort genau so wie er es zu Hause immer tat, wenn er sich auf dem Sofa entspannte. Der Löwe hatte ihm nichts getan und er machte auch keine Anstalten, dass er sowas je tun könnte. Die Männer mit den knallenden Peitschen hatten sich schon vor geraumer Zeit zurückgezogen und mir war das nicht bewusst geworden, weil ich fast einen Herzstillstand erlitten hätte. Das Ganze war einfach nur eine Vorstellung, ein Kunststück, eine eingeübte Dressur und ich begriff das erst jetzt. Das war für mich alles so unwirklich, dass ich mich immer noch nicht bewegen konnte.
  Ein Gedankenchaos machte sich in mir breit und ich weiß nicht wie viel Zeit verstrich, aber da kam der Dompteur half meinem Adam auf die Beine und delegierte Vuyo aus dem Käfig. Jetzt brach ein Jubelstrom los und ich saß da und mir liefen die Tränen aus den Augen. Adam verbeugte sich und er schien im dem Applaus zu baden. Die beiden Männer verbeugten sich abwechselnd, dann zusammen und danach zogen sich zurück, nur um noch einmal vorzutreten, bis das Publikum sich beruhigte. Der Löwenbändiger stand mit meinen Adam im Käfig und sie gingen nicht. Was kam denn jetzt noch? Ich wollte nur, dass Adam wieder zu mir heraufkam, damit ich ihn anschließend umbringen konnte. Wie hatte er mir sowas nur antun können. Tausend Tode war ich gerade gestorben und nun stand er immer noch dort unten.
  Erneut wurde das Mikrophon herunter gelassen und der Dompteur sagte:
  »Und nun verehrte Gäste, das zweite Abenteuer das ich Ihnen vorhin angekündigt hatte.« Er überließ den Platz am Mikrophon Adam und trat einen Schritt zurück. Mein Herz schlug mit ein paar Extrasystolen, was kam denn nun noch? Ich betete, dass Adam sich nicht in noch größere Gefahr begeben würde. Ich glaubte ihm doch dass er mutig war, er musste mir doch nichts beweisen. Er sah zu mir hoch und da richtete sich auch schon ein Scheinwerfer auf mich. Völlig perplex dachte ich: „Diesen Abend werde ich nicht überleben.“ Er will doch wohl nicht, dass ich auch so ein Löwending durchziehe? Das war mein persönlicher Alptraum, viel zu viele neugierige Augenpaare richteten sich auf mich. Kerzengerade, mit zum Zerreißen angespanntem Nervenkostüm, saß ich da und hörte die Worte die mein Adam da ganz schlicht sagte:
  »Kätzchen, willst du mich heiraten?«

 

1.       23.   Wasserstandbarometer

 

  Nach der Vorstellung verließen Adam und ich Arm in Arm den Zirkus. Natürlich regnete es, doch ich empfand den Regen als wohltuenden Balsam auf meiner Haut. Das meine Frisur einen Kollaps erleiden würde war mir vollkommen egal. Ich war die glücklichste Frau auf Gottes schöner Erde und weder kalter Regen, noch nasse Kleider konnten das heiße Glücksgefühl in meinem Bauch verdrängen. Wasser das vom Himmel fällt ist nun mal kalt und das ist gut so und soooo gut. Es tränkt die Erde, kühlt vielleicht manch aufgebrachtes Mütchen und ist ein Elixier des Lebens und eine Naturgewalt die man nie unterschätzen darf.  
  Ich habe erfahren, dass das Wasser, in meinem Leben an wichtigen Geschichten beteiligt war und auf die möchte ich nicht verzichten.
  Wasser ist eben doch nicht nur zum Waschen da. Und auch an diesem Abend sollte das Wasser in einer besonderen Art beteiligt sein. Denn er endete für Adam und mich in einer Badewanne, jedoch mit heißem Wasser und duftenden Ölen. Denn wir fuhren an diesem Abend nicht mehr nach Hause. Adam hatte uns in der Nähe ein Hotelzimmer gebucht, weil er wollte, dass dieser Abend perfekt würde. Und was mich betraf, hatte er dieses Ziel voll und ganz erreicht. Wir zwei erfüllten an jenem Abend wirklich jedes Klischee was ein Mensch sich nur ausdenken konnte, aber das war ja gerade so fantastisch. Malt sich nicht jedes Mädchen ins geheim so ein Szenario aus? Seien wir doch mal ehrlich. Jeder Mensch hat Wunschträume und wenn nur einer davon in Erfüllung geht, fühlen wir uns schon wie im Himmel. Ich schwebte jetzt davon im siebten!
  Als ich mich nach diesem ereignisreichen Abend zusammen mit Adem in der Badewanne wieder fand und meine Gedanken langsam wieder in normale Bahnen glitten, kam mir dann doch noch ein irrwitziger Gedanke. Etwas worüber ich vorher noch nie so richtig nachgedacht hatte und was mich aber jetzt unversehens nicht mehr losließ.

 

24.      Der sanftmütige Abschluss

 

  Noch bevor der Schrumpelungseffekt des Badewassers eintrat und das Wasser soweit abkühlte, dass aus dem angenehmen Bad eine unangenehme Zitterpartie wurde, stiegen wir aus der Wanne und machten es uns im Bett gemütlich.
  Schnell wurde die schönste Nebensache der Welt zur Hauptsache und einige Zeit später, als meine Atmung sich wieder soweit normalisiert hatte das ich sprechen konnte, sagte mit ernster Stimme:
  »Adam«.
  »Hmmmm«, kam ein schwerfälliges Summen aus den Tiefen seines Brustkorbes. Er war schon fast dabei weg zu dämmern. Doch das konnte ich jetzt nicht zulassen, ich musste ihm unbedingt noch was sagen und er sollte es mit Bewusstsein hören. Also richtete ich mich halb neben ihm auf und knuffte ihn zärtlich in die Seite.
  »Schatz bitte, hör mir noch kurz zu, es ist wichtig!
« Er grummelte, ich wusste, dass ihn das jetzt nervte, aber ich ließ nicht locker bis er sich auf die Seite drehte und mich ansah.
  »Also gut Kätzchen, was ist los?« Meine Stimme wurde weicher und ich lächelte ihn an.
  »Ich wollte dir danken, dass du mich heute so glücklich gemacht hast«, ich küsste ihn zärtlich und er erwiderte meinen Kuss. Ich spürte wie sich erneute Erregung in ihm breit machte, doch ich wollte doch noch was von ihm wissen, so machte ich einen Rückzieher und legte meine Hand sanft auf seine Brust um mir einen Gesprächsabstand zu ermöglichen.
  »…und dann beschäftigt mich schon die ganze Zeit eine Sache«, jetzt strich ich mit den Fingerspitzen durch seine Brusthaare:
  »Was ich mich immer gefragt habe Adam, …warum hast du mich eigentlich damals an der Bushaltestelle mit „Kätzchen“ angesprochen?«
  Erstaunt sah er mich an und meinte:
  »Das du das jetzt erst fragst«, er grinst und sprach aber sofort weiter:
  »Ich kann dir das ganz genau sagen mein Kätzchen.« Er legte sich auf den Rücken und zog mich zu sich heran. Ich schob mich halb über ihn, bettete meine Hände auf seiner Brust und legte mein Kinn auf meinen Handrücken ab. Adam nahm seine Entspannungshaltung ein und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Jetzt sah er mir direkt in die Augen und erklärte:
  »Als ich damals auf die Bushaltestelle zu fuhr, sah ich durch den Regen nur schemenhaft einen Mensch dort sitzen Und ich dachte noch „ein Glück“, da ist Jemand“. Denn bei dem Wetter waren die Straßen wie leer gefegt, als ich anhielt und ich zu dir herübersah, hast du dir gerade mit dem Handrücken in so einer witzigen halbkreisförmigen Bewegung über die Stirn gewischt und du warst so nass wie eine Katze. Dein Anblick und deine Handbewegung erinnerten mich in dem Moment an Bastet, die kleine schwarze Katze die ich als Junge unter unserem Balkon gefunden hatte. Bei einen Unwetter hatte sie sich wohl dort versteckt. Nass, zittrig und ziemlich verdreckt saß sie miauend unter unserer Veranda. Ich kroch durch die schmale Öffnung zwischen Boden und dem Treppenaufgang und fand das kleine Tierchen wie es jämmerlich maunzend dort saß. Das kleine Kätzchen zeigte in ihrer ganzen jammervollen Art aber doch eine Art von erhabener Haltung. Meine Mutter erlaubte es mir sie zu behalten und so nannte ich sie Bastet. Wie die ägyptische schöne Tochter des Sonnengottes Re, die in alten Überlieferungen als schwarze Katze dargestellt wird und die wegen ihres Liebreizes und ihrer Sanftmütigkeit in der Geschichte der alten Ägypter bekannt wurde. Mit der Erklärung nahm Adam mich in seine Arme und küsste mich… was sollte ich dazu noch sagen!