Geschrieben von Anna Elfriede (Anni Kießling), ehemals Kehlert, geb. Sommerfeld,
* 1915 ― † 1995

Aufgesetzt am 13.09.1980 als sie im Marienhospital in Letmathe mit Gelbsucht lag.
(Original in Handschrift liegt vor, abgetippt am 21.01.2016 von Karin Kehlert „Enkelin“, keine Veränderungen in Form und Aussage vorgenommen. Zur Verständlichkeit Ergänzungen eingesetzt.)

Ihr Lieben!

 

Sollte ich einmal plötzlich sterben, habe ich einige Wünsche. Erstens sollt ihr nicht lange um mich trauern. Mir geht es dann gut und euer Leben geht weiter. Ich möchte nur nicht vor meinem lieben Max abgerufen werden, denn ich möchte ihn pflegen so lange ich kann, für die schönen Jahre die er mir geschenkt hat. Hoffentlich lässt mir der liebe Gott so viel Zeit, bis Karin und Heidi in dem Alter sind, wo sie auch begreifen, dass der Tot auch eine Erlösung sein kann.

 

Pastor Niemann, der mich konfirmiert hat, gab mir den schönen Spruch:

„Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“

 

Meine Lieblingslieder waren von Jugend an:

 

1. „Der beste Freund ist in dem Himmel,

auf Erden sind die Freunde rar.

Auch in dem schwersten Weltgetümmel,

steht Redlichkeit oft in Gefahr.

Drum hab ich‘s immer so gemeint

mein Jesus ist mein bester Freund.“

 

2. „Harre meine Seele, harre des Herrn,

alles ihm befehle, hilft er doch so gern.

Seid unverzagt, bald der Morgen tagt

und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach.

In allen Stürmen, in aller Not,

wird er dich beschirmen der treue Gott.“

 

Ich möchte in der Leichenhalle nur eine kurze Andachtsfeier haben und zwar von Pastor Samwer abgehalten. Danach die Überführung zum Krematorium. Die Urne soll dann später in aller Stilleauf unserem Familiengrag auf dem evangelischen Friedhof in der Friedhofstraße beigesetzt werden.

Mein lieber Max!
Lieber Bernd und Doris!
Meine lieben Schnückelchen Karin und Heidi!

 

 

Mit diesen Zeilen möchte ich euch einen kleinen Einblick in mein bisheriges Leben geben. Was ihr großen von mir denkt möchte ich gar nicht wissen. Aber Karin und Heidi können nicht begreifen, dass ich fast nie oder nur selten lachen kann, und ich möchte manches Mal herzhaft lachen.

Meine Mutter war eine sehr schöne aber sehr zarte Frau. Als ich 1915 geboren wurde, war mein Vater im Krieg. Ich wog nur 3000 Gramm (Oma erzählte immer, dass sie in eine kleine Zigarrenkiste gepasst hat) und meine Mutter behielt von der Geburt her einen schweren Herzfehler an dem sie dann auch im Alter von 27 Jahren starb.

Emil Sommerfeld
Emil Sommerfeld

Ich war 5 Jahre alt. Pastor und Schwester schoben mein Kinderbett in die Küche, Vater fasste meine Mutter noch mal an, aber es war aus. Die Schwester meiner Mutter, bei der wir wohnten, hatte selber 14 Kinder. So kam ich zu einer anderen Schwester meiner Mutter, Tante Jette. Die hatte keine eigenen Kinder, aber ein Mädchen angenommen, „Mia“.
Ich weiß noch, früher gab es keine Friedhofs-kapelle. So war der Leichenumzug von der Helmkestraße 21 durch die ganze Stadt bis zum evangelischen Friedhof an der Friedhofstraße und dann zurück nach Hause zum Kaffeetrinken.
Bei Tante Jette konnte ich nicht lange bleiben da zu der Zeit alle einfachen Leute nur eine große Wohnküche und ein Schlafzimmer hatten. Mein Vater stammte aus Heilsberg, Ostpreußen.
Von dort ließ er seine jüngste Schwester, Tante Maria, kommen. Sie war 17 Jahre, also viel zu jung um einen Haushalt zu führen und selbst fast noch ein Kind, mit mir einer 6jährigen fertig zu werden und dann noch in der Fremde. Es hat auch nicht lange gut gegangen. Ich hatte zwei wunderbare lange Zöpfe, aber selbst den dicksten Eisenkamm zerbrach T.M. (Tante Maria?), so riss sie dadurch (Haare).

Eines Tages schloss sie mich ein, nahm ihren Koffer und fort war sie. Ich kann sie heute verstehen, so allein in der Fremde. Aber was war nun mit mir? Da muss ich etwas ausholen.
Meine Tante Anna Heimann, die älteste Schwester meiner Mutter, hatte das Uhrengeschäft in Oestrich, aber keine eigenen Kinder.
Da hatte sie von ihrer Schwester Minna (16 Kinder) einen Sohn angenommen, Heinrich. Dann aber auch eine Tochter von Verwandten aus Siegen Eiserfeld (Tante Lieschen, Schulte), die spätere Hebamme Goldbach.
Heinrich heiratete und hatte zwei Jungens, Gustav und Heinrich, (Mutter hieß Liesbeth).

 

Tante Lieschen heiratete einen Schulte, bekam einen Sohn, (Hainz). Schulte starb.
Alle wohnten in einem Haus. Ein Bruder von Tante Anna und meiner Mutter fiel im Krieg, hatte auch mehrere Kinder.
Tante Anne holte sich einen Jungen, das ist Herbert, der heutige Friseurmeister Jung-Deges.
Nun nahm sie mich auch noch auf.
Nun waren wir 4 Sorten Kinder im Haus. Ich war die Älteste, musste daher auch viel einstecken. Mit den Kindern dort habe ich mich gut verstanden. Meine Freundin war die jüngste Tochter von Gärtner Rießling (Änne), dort war ich viel. Auch haben wir Kinder alle viel auf dem Burgberg gespielt.
Herbert und ich haben einmal in einem Garten Erbsenschoten gemopst, aber nur um ein paar zu essen, der Mann hatte uns erkannt und kam dann zu Tante Anna, wir hatten furchtbare Angst, mussten dann aber nur versprechen, es nicht wieder zu tun.

 

Wir Kinder spielten auch Schützenfest. Da war ein Junge der wollte mich zur Königin. Ich habe mich furchtbar geschämt auf dem Leiterwagen, aber schön war es doch.
Einmal war ich traurig, ich bekam Gelbsucht und musste im Bett bleiben und das ausgerechnet in den großen Schulferien.
Das Geschäft meiner Tante ging nicht so besonders. Onkel Heinrich ging tagsüber arbeiten und abends musste er noch Uhren reparieren.

 

Mein Vater war einfacher Arbeiter und verdiente nicht viel. Er musste bei der Tante, wo er zwei Zimmer hatte, Miete zahlen und für jedes Wäscheteil auch noch das Waschen.
Bei Tante Anna musste er für mich viel Geld bezahlen und brauchte ich etwas in der Schule, das war alles aufgeschrieben. Für ihn selbst blieben manche Woche 3,00 DM (Deutsche Mark) zum leben.

Dann kam die Zeit, da fuhr die Cousine meines Vaters mit Mann und zwei Kindern nach Ostpreußen zu ihren Eltern. Die wohnten im gleichen Haus wie meine Großmutter. Da beschloss mein Vater mich mitzuschicken um wieder etwas bei zu kommen, denn dort brauchte er nichts für mich zu bezahlen.
Sein Haushalt war abgebrannt, wie man so sagt.
Ich fuhr gerne mit, bis der Tag kam, da Tante mit Anhang zurück fuhr und ich dort bleiben musste.
Kinder gewöhnen sich schnell und ich muss mich selbst loben, mich hatten alle gern, auch die Lehrer in der Schule.

Hier kommt ein Einschub zu Uropa Emil Sommerfeld und seiner Heimastadt. Der Geschichtliche Hintergrund ist interessant und deshalb möchte ich ihn nicht weglassen!

Heilsberg, die Geburtsstadt meines Vaters.
Eine alte schöne Stadt mit Schloss, Stadtmauer, Kopernikusbrücke und dem „Hohen Tor“.

Vor diesem Tor ging ein Weg und auch eine Treppe in den sogenannten „Töpfergrund“.
Dort wohnte meine Oma mit Tante Emma, der Schwester meines Vaters und der jüngste Bruder (Franz).
Tante Emma hatte als junges Mädchen durch einen Unfall ein Bein verloren und hatte ein Holzbein, welches oben eine Lederschale hatte in welchem der Stumpf befestigt war. Sie war von Beruf Schneiderin und hatte es daher sehr schwer.


Die Leute dort waren alle sehr arm, jede Familie hatte ein großes Zimmer mit offenem Kamin. Dann kam das Bett meiner Oma, dann der Kleiderschrank, daneben das Bett meiner Tante. Dann kam das Fenster, da vor stand die Nähmaschine meiner Tante und dann das Sofa auf dem ich schlief. In der Mitte der Tisch, der musste abends weggerückt werden, denn da musste dann das Klappbett meines Onkels stehen.
Schön war es immer wenn ich mit meiner Oma Beeren oder Pilze suchen ging. Die gab es dort sehr viel.
Etwas wo ich nicht so gerne dran zurück denke ist, wenn es Sauerampfer Suppe mit gekochtem Ei oder Brotsuppe gab.

Ein schöner Brauch war Ostern, dann durften wir Kinder uns frisches grünes Reisig holen und zu den Hauseigentümern gehen, ihnen mit dem grünen Reisig um die Beine streichen und ein paar Mal sagen: „Schmackoster, grün Oster, Schmackoster, grün Oster!“ Wenn wir dann die ersten waren und Glück hatten, bekamen wir ein Osterei.


Originalbrauch:
Schon um Palmsonntag wurden  junge Birkenruten in mit Wasser gefüllte Gefäße gestellt, damit die Reiser kleine Blättchen bis Ostern trieben. Beliebte Orte waren auch Schränke und Kachelöfen, um das Treiben in der Wärme zu fördern. Am 1. Ostertag hatte die männliche Jugend, aber auch Erwachsene das Vorrecht, Mädchen und Frauen Hände und Füße zu stiepen. Man machte sich recht früh auf den Weg, um noch viele im Bett anzutreffen und die Langschläfer zu erschrecken. Mit viel Scherz und Lachen ging es zu. Für das Stiepen erhielt man Süßigkeiten, ein Ei, Kuchen oder einen Groschen.
Na, und die kleinen Bowkes freuten sich schon diebisch auf das Schmackostern und auf die leckeren Sachen, die sie bei den Langschläfern einheimsten. Und wenn auch die Lorbasse sonst nicht viel vom Auswendiglernen hielten, das Sprüchlein konnten sie im Schlaf aufsagen:

"Schmackoster, schmackoster,
fief Eier, Stöck Speck, on noch e Stöck Floade,
ehr goah eck nich weg!"

 

 

 

Oder

 

Zum Schmackostern komm' ich her, ich wünsch' euch "guten Morgen", gebt mir die bunten Eier her, mag sein, wie sie wollen: blitzblau, donnergrün, kreideweiß; ich nehm' sie all' mit Dank und Fleiß.

 

 

Anmerkung:
Hitler hat diesen Brauch verboten, er war der Meinung: “das deutsche Volk bettelt nicht!“ (Bäääh)


Hinter dem Haus war ein Garten, für jede Familie ein Stall mit Klo, eine kleine Wiese und dann der Fluss, die Alle.
Schön war es immer, wenn  mein Onkel Franz angeln wollte. Dann durfte ich schnell ein Stück Käse kaufen. Davon brauchte mein Onkel höchstens ein  1/4 , das andere Stück durfte ich dann essen. Einmal Schlug ein Blitz hinter dem Haus in einer Weide, solch einen Knall hatte ich noch nie gehört

 

Einmal war ich auch in den Ferien in Königsberg bei Tante Anna, auch eine Schwester meines Vaters, der Mann war auch Friseur aber beim Militär. Tante Maria lebte auch in Königsberg, ich wüsste kaum, dass ich sie mal gesehen habe.


Mal ging es ihr sehr gut, eine elegante Dame und dann? Wie sie ihr Geld verdiente interessierte mich wenig. Sie hat dann später geheiratet, einen sehr netten Mann.

Meine Oma starb, meine Tante Emma soll auf der Flucht umgekommen sein. Tante Anna mit Mann und zwei Töchtern kam nach Flensburg. Tante Maria kam zu uns, leider.


Sie hat wohl keinen festen Charakter, man weiß  nicht, was man von ihr halten soll. Zog dann auch bald in einer andere Wohnung, mache uns schlecht, vor allem meine Mutter, nur um sich gut Kind zu machen.

(Ob die folgende Erzählung aus der Schule in Ostpreußen stammt, wage ich zu bezweifeln, da im Anschluss gleich eine Erzählung kommt, die von der Helmke und Uroma Berta handelt**.)


Dort wurde in einem großen Wald jedes Jahr von der Schule aus Schützenfest gefeiert. Einmal schoss ich

3 x in den Sand, da war ich Sandkönigin. Beim Märchenspiel kam der Rektor an allen Mädchen vorbei und suchte. Da blieb er vor mir stehen und sagte: „ Da haben wir ja das Mädchen mit den Märchenaugen.“ Und da durfte ich mitspielen. Es war sehr schön.
Ein einziges Mal habe ich auch mit dem Stock 3 Schläge auf die Hand bekommen wie alle anderen. Einer hatte etwas ausgefressen und keiner gepetzt. Ich glaube meine Schläge haben dem Lehrer genauso weh getan wie mir.
**Ein Bruder meiner Mutter (Onkel Gustav) wohnte auch in der Helmke, hatte aber eine Frau aus Berlin mitgebracht. Diese ließ eines Tages ihre Freundin kommen und was glaubt ihr wer das war?

Berte Sommerfeld
Berte Sommerfeld

Unserer Oma Berta. Als die Heirat beschlossen war, durfte ich nach 2 Jahren und 7 Wochen wieder nach Hause kommen. Aber was glaubt ihr wohl, ich wurde allein in Königsberg in einen Ferienzug zu fremden Leuten gesetzt und ab ging die Fahrt. Tag und Nacht durch den „Polnischen Korridor“ bis Hagen.

Der Polnische Korridorwar ein 30 bis 90 km breiter Landstreifen, der zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg Ostpreußen vom deutschen Kernland abtrennte und zu Polen gehörte.


Die Fahrt war furchtbar. In Hagen auf dem Bahnsteig stand mein geliebter Papa, aber eine feine fremde Frau neben ihm. Sie wollte mich gleich liebevoll umarmen, ich habe mich aber gewehrt, es hat ihr sehr weh getan und mir nachher sehr leid, denn besser hätte keine richtige Mutter zu mir sein können.

In der Schule kam ich schlecht zurecht, da ich mir die ostpreußische Sprache angewöhnt hatte und wenn ich Antwort gab, lachten mich alle Kinder aus und dann habe ich mich nicht mehr gemeldet.
Wir wohnten in der Helmke. Im Winter die schönste Rodelbahn. Ich hatte aber Angst, es war zu steil. Nur morgens, wenn wir zur Schule mussten, hatte ich immer einige Kinder am Rockzipfel hängen. Wir hatten alle Herrensocken über die Schuhe gezogen, dann war das nicht so glatt. Ich war die Größte und alle hielten sich fest.

 

Trotz der schlechten Verdienstmöglichkeiten wurde ich von meinen Eltern sehr geliebt und verwöhnt. Meine Mutter hatte ein Fahrrad mitgebracht, aber ich „Bangebüchse“ habe es nie richtig gelernt.
Ich hatte zwei große Puppen mit echten Haaren, die waren später das Heiligtum von unserem Bernd; da durfte keiner ran.
Eine schöne Puppenstube, 2 Zimmer, besaß ich auch und einen kleinen Ofen mit Töpfen, da kamen Kerzen rein und ich konnte kochen.
Dann kam wieder eine böse Zeit. Meine Mutter war als junges Mädchen mit dem Rad gestürzt und danach sprang die Hüftkugel immer aus der Gelenkpfanne und sie konnte nicht mehr laufen. Man brachte sie nach Münster in die „Hüfferstiftung“ zur Operation.

Info:

Die Hüfferstiftung ist ein bedeutendes Bauwerk in der westfälischen Stadt Münster und gleichzeitig eine im Jahre 1893 ebenda gegründete soziale Stiftung.

Das Gebäude erhielt seinen Namen von dieser ehemals selbständigen caritativen Stiftung und Heilanstalt für die Behandlung und Heilung orthopädisch Kranker, die über 80 Jahre dort untergebracht war.

Besuchen konnten wir sie nicht, das Geld reichte nicht für die Fahrt, mein Vater musste damals vieles selbst bezahlen. In den vielen Monaten haben wir sie nur einmal besuchen können.
Ich wäre so gerne in die Friseurlehre gegangen, musste aber mit 14 Jahren, kochen, waschen, flicken.
Wir waren zwar evangelisch und auch in der Kirche, aber nicht fromm genug, also bekamen wir auch keine Hilfe von Seiten der Kirche. Als meine Mutter dann nach Hause kam konnte sie erst nichts machen. Man hatte ihre Hüfte steif gelegt. Sie musste ein ¾ Jahr eine Lederhülle um den Bauch tragen, daran war eine Eisenschiene angebracht bis an den Schuh. Bücken war also unmöglich und immer Schmerzen. Die Helmkestraße rauf und runter war unmöglich.


Zum Glück bekamen wir dann die Wohnung in der Kanalstraße, sodass meine Mutter allmählich ans Laufen kam. Die Zeiten waren sehr schlecht, ich bekam eine Lehrstelle als Friseurin in Hohenlimburg bei Frau Seidensticker. Ich musste Kittel haben, die Fahrkarte und einmal in der Woche zur Berufsschule nach Iserlohn. Da fing meine Mutter trotz der Behinderung in Iserlohn an zu arbeiten von früh morgens bis nachmittags, dann Haushalt, die Wäsche und vor allem meine Kittel. Die waren früher von (Köper?) und wurden dann noch gestärkt. Wie sie das alles geschafft hat, Sommer wie Winter, ich weiß es nicht. Ich wurde schon 17 Jahre alt als ich in die Lehre kam und musste immer mit dem Zug nach Hohenlimburg fahren. Mittagessen bekam ich dort, sonst war die Pause zu kurz. Die Zeit war ganz schön.

Meine Prüfung bestand ich gut und bekam noch dazu einen Sonderpreis, ein Buch „Die Chroniken der Magdalena Bach“.

Info:

Anna Magdalena Bach

(* 22. September 1701 in Zeitz; † 27. Februar 1760 in Leipzig; geboren als Anna Magdalena Wilcke) war die zweite Ehefrau Johann Sebastian Bachs. Anders als seine erste Ehefrau Maria Barbara Bach (1684–1720) war sie eine ausgebildete Sängerin.


Auch war ich im Jungmädchenbund bei Schwester Klara das war immer sehr schön. Im Turnverein war ich auch eine Zeit, keine guten Termine, aber bei einem Turnfest in Oestrich wurden 98 Kränze ausgegeben und den 96igsten habe ich erwischt, da war ich stolz.

In der Zeit zog auch Opa Adolf mit den Eltern in die Kanalstraße und da er auch Friseur war sagten immer alle das wäre doch mal der richtige Mann für mich.

Opi Adolf
Opi Adolf
Uropa Wilhelm Kehler
Uropa Wilhelm Kehler
Uroma Elisabeth Kehler, geb. Ohmke
Uroma Elisabeth Kehler, geb. Ohmke

Ich hatte aber einen heimlichen Freund, wie das damals so hieß „aus besserer Familie“, es durfte keiner wissen, vor allem seine Eltern nicht. Wir mochten uns gerne aber einen  Kuss haben wir uns nie gegeben, so schüchtern war man zu der Zeit mit 17 Jahren.
Ich habe ihn zur goldenen Konfirmation mit seiner Frau begrüßt mit einem kräftigen Händedruck.

 

Mit diesem Freund habe ich auch den ersten Film meines Lebens gesehen,

er hieß „der blonde Traum“ mit Lilian Harvey, Willi Fritsch und Willi Forst.

Ich war ganz begeistert, vor allem von dem Lied das sie immer sangen.
Sie hatten zwei Fahrräder dazwischen eine Leiter,
darauf saß das Mädchen und dann sangen sie:


Ich hatte auch eine Freundin „Erna Griesel“, wir waren beide sehr schüchtern. Auf der Lennebrücke wurden wir mal von zwei Jungs angesprochen, wir brachten keinen Ton heraus; da fing der eine Junge an zu singen: „Sie sprach kein Wort, kein einziges Wort, da wusste ich sofort das wir uns verstehn. Und das elektrische Klavier das klimpert leise, nach einer Weise von Liebeslust und weh.“
Dann sind wir beide fortgelaufen. Die Jungens haben uns bestimmt für verrückt erklärt.

 

Meine Tante Emilie aus Oestrich lud mich mal zu einem Fest vom Schaf- und Ziegenzüchterverein ein. Da holte mich immer ein großer Tänzer, der wollte mich auch nach Hause bringen, aber zum Glück blieb ich ja bei meiner Tante. Dann versprach er mir, mich abends am Bahnhof abzuholen, er war auch da, aber ich wohnte ja in Genna und wisst ihr wo er stand? Bald bis unten an den Schranken die zur Helmke hin führen. Da hab ich gedacht, wenn du dich schämst, dass man dich sieht, dann mach das du nach Hause kommst und ich bin dann auch abgehauen.

Dann wurde es etwas ernster mit Opa Adolf:

 


Wir brauchten beide zu Hause kein Geld abzugeben und haben feste gespart, weil wir uns mal selbstständig machen wollten. Und ein Friseurgeschäft einrichten kostet schon mal sehr viel Geld. Die ganzen Wasser- und Elektroanlagen, dann Schaufenster und Trennwände aus Eichenholz,

die Waschbecken und Trockenhauben, Lampen, Warenschrank, Theke und alle anderen Kleinigkeiten und vor allem Warenauswahl. Da blieb kein Geld für Privat.

 

Aber der alte Otto Bormann sagte dann, dass Geschäft bekommt nur der Jenige, der auch die 2 Zimmer Wohnung dahinter dazu nimmt.
Wir wollten aber noch jeder zu Hause
bleiben und weiter sparen. Zu der Zeit gab es von der Stadt Ehestandsdarlehn, dass musste in Raten abgezahlt werden.
Das haben wir dann auch noch aufgenommen.
Wir hatten Glück unser Geschäft ging sehr gut, wir waren bald von allen geschäftlichen und privaten Schulden runter und konnten wieder sparen.

Dann brach der Krieg aus. Opa Adolf brauchte erst 1941 als Soldat fort. Vorher fuhren wir noch ein paar Tage nach Nürnberg. Dort lag Opas jüngster Bruder Karl bei der SS. (Die Schutzstaffel der NSDAP (Abkürzung SS) hatte zwei Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Bis 1934 war sie der SA unterstellt und nahm an deren bewusst herbeigeführten Prügeleien Teil. Ab 1934 errang sie Selbstständigkeit und war vor allem für die Konzentrationslager verantwortlich.)

Er wollte sich dort verloben mit Tante Anni, die haben wir dann mitgenommen. Es waren für mich wundervolle Tage. Wir wohnten im besten Hotel, wo Göbels und Göring immer abstiegen, für mich armes Würstchen wie ein Traum.


Danach wurde Opa eingezogen und ich hatte dann nur noch Damensalon (Friseur). Erst kam Opa nach Königsberg, dann nach Lütjenholm bei Husum und zum Schluss nach Swinemünde. In Lütjenholm habe ich ihn mal besucht, privat gewohnt und wurde so verwöhnt, dass ich pausbackig und braungebrannt zurück kam. Dann wohnte ich in Plön in der „Fegetasche“ ein kleines gemütliches Lokal. Der Chef kam bei jeder Mahlzeit durchs Lokal und sagte dann zu jeder Dame: „Schmeckts, meine Damen? Wohlbekomms meine Damen!“ Es gab ja nur Essen auf Bezugsschein oder bzw. Lebensmittelkarte.

(Eine Lebensmittelmarke ist ein vom Staat ausgegebenes Dokument zur Bescheinigung, dass der Besitzer ein bestimmtes Lebensmittel in einer bestimmten Menge kaufen darf.)

 

Wir durften nur nicht an ihrem Privattisch vorbei gehen, da wurde dann die gute Butter noch dick auf selbstgebackenen Kuchen gelegt!

 

Auf der Rückfahrt habe ich dann ein paar Tage in Hamburg bei der jüngsten Schwester meiner Mutter gewohnt bei Tante Olga, sie hatte einen guten Mann, der leider bei einem Fliegerangriff zu Tode kam. Sie hatte zwei Söhne, Peter und Jürgen, bekam aber eine gute Rente und kam gut zurecht.
Vor allem Glück gehabt, Hamburg war doch zum Teil dem Erdboden gleich gemacht, aber in ihrer Straße standen noch einige Häuser und auch das in dem sie wohnte.
In Mecklenburg war sie auch mit ihren Kindern in der Zeit als Oma und Opa mit Bernd dort waren. Ich bin dann mit ihr nach Hamburg gefahren, um Betten und andere Sachen zu holen. Die Fliegerangriffe waren furchtbar, ich habe einige Flugzeuge brennend runter kommen sehen, aber auch diese schwere Zeit ging vorüber.

 

Einmal war ich auch mit Kundinnen (Friseursalon) „Hamstern“ (Menschen reisten in Deutschland zu Kriegszeite während der Schwarzmarktzeit-Zeiten auf der Jagd nach Essbarem durchs Land. Bepackt mit Rucksäcken und Koffern um Gegenstände wie Werkzeug und sonstiges gegen Lebensmittel zu tauschen.), aber nie wieder, ich konnte nicht betteln und meine Wäsche war weg und wir hatten nur für 8 Tage etwas zusätzlich. Da habe ich dann für teures Geld Mehl, Butter und Zucker gekauft und immer Zwieback gebacken damit wir nachts bei Alarm etwas zu nagen hatten.

Vor allem für unseren kleinen „Wippsteert“ (Zappelphillip hamburger Platt), Bernd wollte nur immer springen. Wir hatten auch das Glück, er war noch klein, 2 Jahre, da nahm ihn die Kindergartenschwester mit in den Kindergarten, morgens mit Gebrüll, bis er das Haus nicht mehr sah, dann war es gut. Wenn er aber mittags zurück kam und sein Teller mit Gemüse nicht parat stand, dann rief er schon: „Müse haben, Müse haben.“ Ich wollte er würde heute auch noch so gerne Gemüse essen.

Ich wollte ja zur Entbindung zu Dr. Fuchs nach Bethanien (Das Bethanien-Krankenhaus Iserlohn ist ein Unternehmen der Allgemeinen Krankenhaus Hagen gGmbH und der Diakonie Mark-Ruhr gGmbH), aber bei der letzten Untersuchung hatte er mir so weh getan, da blieb ich doch zu Hause. Ich weiß noch das Oma und ich noch danach noch sehr leichtsinnig waren und in Iserlohn ins Kino gingen. Meine Lieblingsschauspielerin „Zahra Leander“ spielte in dem Film  „Zu neuen Ufern“ und den wollte ich noch sehen. Wir mussten aber das Kino doch etwas früher verlassen, ich konnte nicht mehr sitzen und wir mussten noch mit der Straßenbahn nach Letmathe fahren. Bernd kam 3 Wochen später zur Welt als Arzt und Hebamme angesagt hatten. Zu der Zeit musste man am Amt noch einreichen, wenn man Betriebsferien machen wollte. Vom 18.-20. August sollte er geboren werden, also hatte ich Urlaub bis 06. September das war ein Samstag. Morgens um 04:00 Uhr war er endlich nach 3 bösen Tagen und Nächten mit Hilfe von Dr. Schauerte und Tante Lisschen als Hebamme auf der Welt. Als Dr. Schauerte ihn sah meinte er: „Ja wo kommst du denn her, du siehst ja aus wie aus der Sommerfrische, ohne Runzeln und ohne Falten.“ Ein Prachtjunge von 5 ½ Pfund. Ich hatte während dieser Zeit Tinktur und Tabletten von einem Bielefelder Arzt eingenommen mit allen Vitaminen das hat uns wohl beiden gut getan.

In Swinemünde habe ich Opa Adolf auch mal besucht, da habe ich auf dem Damm gestanden und geweint vor Ergriffenheit. Ich sah das erste Mal in meinem Leben das Meer. Es war für mich überwältigend. Zu der Zeit hatten wir schon unseren kleinen Bernd. Es brauchte keiner zu fragen, „ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ Bernd hatte von klein auf ein richtiges Jungengesicht. Leider bekam er dann schon sehr früh den Keuchhusten sehr schwer. Wir bekamen Tag und Nacht keine Ruhe, da half nur Luftveränderung. Schweren Herzens musste ich zustimmen, das Oma und Opa mit ihm nach Mecklenburg fuhren  zu Omas Eltern. Das ist ihm gut bekommen.


Einmal habe ich ihn besucht und Opa Adolf durfte 2 Tage aus Swinemünde kommen.

Als sie dann alle aus Mecklenburg zurück kamen,  blieb Bernd bei meinen Eltern, da ich keine Zeit hatte. Abends ging ich zum Schluss auch nach Hause zu meinen Eltern zum schlafen, da ich unten im Haus in dem der Friseursalon war alleine wohnte und Angst hatte. Onkel Karl hatte mir zwar einen kleinen Revolver und Munition dagelassen, aber ob ich auf einen Menschen hätte schießen können?
Bei Fliegeralarm hatten wir Betten im Keller und unser kleiner Bernd schlief dann selig und ruhig im Kartoffelschoss.

Ein halbes Jahr nach Kriegsende kam Adolf nach Hause. Der Damensalon ging so gut, dass er keine Lust mehr hatte seinen Herrensalon wieder zu eröffnen. Das war wohl falsch, es änderte sich vieles.
Opa Adolf gab immer gerne etwas an und suchte immer Bekanntschaften, die sich finanziell viel besser standen wie wir. Mickenbeckers, Schlüters, Bocks, Etelmanns….! Und dann kam das Dilemma, Sonntagsmorgens ging er zum Frühschoppen, nachmittags schlafen und abends Verabredung mit Obengenannten zum Essen ausfahren, was wir uns nicht hätten leisten können. Dazu kam Montagsabends der Stammtisch und donnerstags Kegelabend. Das Schlimmste war dann für mich, dass ich Bernd dann auch sonntags zur Oma Berta schicken musste, wo ich doch die ganze Woche nichts von ihm hatte. Die anderen Tage war Opa müde.


1957 wurde er Schützenkönig. Ich musste „Gute Mine zum bösen Spiel“ machen. Zu der Zeit bekam der König noch nicht viel aus der Kasse. Ich konnte mir nicht mal ein langes Kleid kaufen, hatte aber zwei schöne Sommerkleider, die ich dann auch immer anhatte wenn etwas los war. War nicht gerade schön. Gefallen hat mir noch das Schützenfest als Bernd Prinz war. Ich hatte ein selbstgenähtes Kleid an und kam mir vor wie ein Mauerblümchen. Danach waren die Feste für mich vorbei. Wenn ich mit musste, ging ich schon um 10-11:00 Uhr nach Hause und später  dann gar nicht mehr mit. Ich habe mir dann angewöhnt, sonntags 12:00 Uhr zu essen, für Adolf alles hin gestellt und bin dann mit Bernd spazieren gegangen. Manchmal auch schon morgens früh, da gab es „den Stübbecken“ (Stübbeken ist ein Stadtteil von Iserlohn im Sauerland und liegt am nördlichen Rand von Letmathe.)noch nicht, da war alles Wald und wir haben dann oft schon früh Rehe und Hasen und Eichhörnchen beobachtet.

Einmal war Oma Berta auch mit Bernd im Harz in Osterode bei Tante Martha, da bin ich dann auch einige Tage geblieben als ich sie abholte.
1951 als Bernd 9 Jahre alt war, fuhr ich das erste Mal mit ihm in den Urlaub zum Rhein nach Boppard.

Ab hier geht es weiter zur nächsten Geschichte.
Papas Mütze