Wäre mein Vater heute stolz auf mich?

 

 

  Es gibt etwaige Gelegenheiten in meinem Leben, da fallen mir Begebenheiten und Erlebnisse mit meinem Papa ein und ich frage mich, wäre meine Vater wohl heute stolz auf mich?

 

  Immer wenn ich  mir morgens ein Käsebrot für den Mittag im Büro mache, kommt mir beim abschneiden der Käserinde der gleiche nagende Gedanke. Er entspringt einer Situation die ich am Frühstückstisch im Sommer 2002 mit meinen Eltern erlebt habe.

 

  Wir saßen morgens auf der Terrasse zusammen und mein Vater hatte Brötchen geholt. An dem Morgen war mir nach Käse zumute. Also nahm ich eine Scheibe Gouda, legte sie auf meinen Teller und setzte das Messer mit der Spitze unten links an der Kante an um die Rinde möglichst dünn in einem Rutsch abzuschneiden. Ich war gut in Fahrt und war schon mit dem Messer oben um die Runde herum, da glitt mir das Messer etwas zu weit nach rechts ab und ich musste, um die Rinde ganz abzutrennen, neu ansetzen. Das ging zackig und mit einem eleganten Schwung trennte ich auch die letzen Zentimeter Rinde von der goldgelben Scheibe Käse ab. Während ich die abgeschnittenen Teile vom Teller nahm und in unser Abfallkörbchen legte, sagte mein Vater der mich dabei beobachtete:
  »Wenn du das im Ganzen geschafft hättest, wärst du mein Held gewesen.«
Im Affekt dieses Momentes musste ich lachen, sah meinen Vater an und erwiderte:
  »Ach und jetzt nicht?«
  »Nein«, meinete er, »du hast es ja nicht geschafft.«
Schulterzuckend schüttelte ich verständnislos den Kopf. Dann war die Situaton vorbei und wir widmeten uns einem anderen Gesprächsthema.
  Ich wusste damals noch nicht, wie tief mich das getroffen hatte. So tief, dass ich heute noch bei jeder Entfernung der Rinde einer Scheibe Käse, diese Worte meines Vaters im Ohr habe.
  War mein Vater also stolz auf mich? Wo ich es doch nicht mal schaffte, den Käse in einem Schnitt zu entrinden?
   Mein Verstand sagt mir, dass er natürlich stolz auf mich war. Ich war seine Tochter, seine Erstgeborene und er hat es bestimmt nicht böse gemeint, aber er hat mich tiefer getroffen als es mir damals bewusst war.

 

 

Dann gab es da noch die Begebenheit mit der Kartoffel. Ich weiß es geht wieder ums Essen, aber das ist glaube ich auch der Kasusknacktus meines Vaters. Essen war für meinen Vater schon immer etwas enorm wichtiges.

 

  Ich weiß noch an dem Tag gab es Spargel und was sonst an dem Tag noch war, ist aus meinem Gedächtnis verschwunden. Alles war schon so weit fertig, der Tisch war gedeckt, die Hollondaise mit Schnittlauch bestreut und nur die Kartoffeln mussten noch gepellt werden. Und wer jemals schon selber Pellkartoffeln gepellt hat, der weiß die Dinger sind verflixt heiß.
   Nun vielleicht bin ich auch nur sehr empfindlich, auf jeden Fall, wenn ich Kartoffeln pelle, verbrenne ich mir mindestens einmal die Finger und eine der Kartoffeln bricht durch und fällt mir von der Gabel und platscht auf den Teller. Ich saß also am Tresen in der Küche und pellte vorsichtig die Kartoffeln, entfernte sorgfältig die schwarzen Stippen und achtete darauf, dass diese heißen Dinger nicht mit mir in Berührung kamen.
  In der Zeit in der ich den Kartoffeln zu Leibe rückte, wuselt mein Vater immer wieder an mir vorbei und beäugte mich ungeduldig. Ich merkte, er hatte hunger. Er lies einige kleine Randbemerkungen über das Essen fallen, über den Spargel und das schon alles auf dem Tisch stände. Ich antwortete belustigt:
  »Ja, ja ich mach ja schon.« Oder…
  »Jetzt stell dich nicht so an, du wirst es ja wohl noch erwarten können.«
   Wann die Stimmung umschlug kann ich heute nicht mehr sagen, ich weiß nur das urplötzlich die ganze Situation wie aus dem Nichts heraus eskalierte und er mich anschrie:
  »Wie kann man nur so unglaublich lahmarschig die Kartoffeln pellen…«.

  Den Rest der Triade habe ich nicht mehr im Ohr, ich weiß nur es war gemein und sehr unfreundlich. So war dann auch meine Antwort. Ich sprang auf, lies alles stehen und liegen und schrie:
  »Dann mach deinen Scheiß doch selber.«
   Ich verließ schnurstracks die Küche und die Wohnung.
  Also war mein Vater stolz auf mich, wo ich doch noch nicht mal schnell genug die heißen Kartoffeln auf den Tisch brachte?
   Ich vermute es, ich weiß dass er mich lieb hatte.
Vielleicht bin ich auch nur etwas zu sensibel, denn immer wenn ich heut zu Tage Kartoffeln pelle, muss ich an diese Begebenheit denken und meinem Herzen versetzt es einen Stich.

 

 

Heute schreibe ich unter anderm fü eine Tageszeitung.
Artikel von mir werden veröffentlicht und ich habe meine Mutter vor einigen Tagen gefragt:

  »Meinst du Papa wäre heute stolz auf mich?«

  Sie antwortete ohne Umschweife:

   »Ja er wäre sehr stolz auf dich, er war es immer.«